210 Der Entente-Ansturm im Herbst 1916
halten und zerschlagen. Unsere infanteristische Verteidigungskraft wurde
derart zermürbt, daß der feindliche Massensturm gelang. Wir büßten
nicht nur an seelischer Spannkraft ein, sondern verloren neben hohem
blutigen Ausfall eine bedeutende Anzahl Gefangener und viel Kriegs-
gerät.
Die Wünsche der Herren gipfelten in dem dringenden Verlangen nach
Verstärkung an Artillerie, Munition, Fliegern und Ballonen sowie nach
besserer Ablösungsmöglichkeit durch umfangreichere und rechtzeitigere Zu-
weisung von frischen Divisionen und anderen Truppen. Die Befriedigung
der Anträge war durch die Einstellung des Angriffs auf Verdun er-
leichtert; wir mußten aber dort auch weiterhin auf starken Kräfteverbrauch
allein durch die örtlichen Verhältnisse selbst rechnen. Daß der Franzose
aus der Festung heraus selbst angriff, war möglich. Verdun blieb ein
offenes, Kraft fressendes Geschwür. Es wäre richtiger gewesen, die Stel-
lungen nach rückwärts aus dem Trichtergelände herauszulegen. Von den
örtlichen Schwierigkeiten des Kampfes vor Verdun hatte ich damals noch
nicht den richtigen Begriff. Die Festung bedurfte neben der Somme
immer noch ernster Berücksichtigung; gleichwohl hatte die 5. Armee
an Artillerie und Fliegern Erhebliches abzugeben. Rücksichtsloser mußte
bei den anderen Armeen verfahren werden. Sie sollten ihre Fronten
strecken und Divisionen, Artillerie, Flieger und Ballone für die Kampffront
freimachen. Selbstverständlich entstanden dadurch schwache Stellen; dies
war in den Kauf zu nehmen, wenn wir an der Somme halten wollten.
Das aber mußte geschehen; rückwärtige Stellungen fehlten. Die Oberste
Heeresleitung konnte endlich noch auf einige neugebildete Divisionen rech-
nen, die allmählich fertig wurden.
Die artilleristischen und Luftkampfverhältnisse an der Kampffront
mußten allmählich durch die eingeleitete vermehrte Zuweisung günstiger
werden, nur die Munitionsfrage blieb traurig, obschon ich auch die anderen
Fronten an Munition ausplündern ließ.
Durch bessere Zuführung von Divisionen schien es möglich zu
werden, die Heeresgruppe Rupprecht nach und nach derart zu stellen, daß
sie nicht mehr nur von der Hand in den Mund lebte. Es war dann zu
hoffen, daß auch die Ablösung und der Einsatz der Divisionen in ihren
Kriegsgliederungen erfolgen würde. Hierauf mußte ich im Interesse des
inneren Gefüges der Armee und der Schonung der Truppe den aller-
größten Wert legen. So wie es war, litt die Fürsorge für Mann
und Pferd. Ich habe, nachdem die Oberste Heeresleitung geholfen hatte,
mit Schärfe darauf gehalten, daß die Verbände zusammenblieben. Bis
dahin war das vor der Gewalt der Tatsachen nicht möglich gewesen. Neben
dieser besonderen Zuweisung von Kräften blieb dauernd die Ablösung ab-