Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Taktische Fragen 211 
  
gekämpfter Divisionen durch andere notwendig. Es war eine sehr wesent- 
liche Aufgabe meiner Operations-Abteilung, immer Divisionen zur Hand 
zu haben, die für die Sommeschlacht verfügbar gemacht werden konnten, 
eine sehr schwierige und verantwortungsreiche Arbeit! Der Zustand der 
Truppe war richtig einzuschätzen, um einmal ihre Ablösung aus ruhiger 
Front überhaupt zu verfügen und ihren Einsatz an mehr oder weniger 
wichtigen Stellen der Schlachtfront anzuregen. 
Die Verstärkungen, die für die Schlacht freigemacht wurden, konnten 
nicht umgehend für den Einsatz verfügbar sein. Die Bahnen waren 
durch den regelmäßigen An= und Abtransport schon stark überlastet. Es 
war nun darüber hinaus noch eine gewaltige Zugzahl zu fahren. So 
mußten zwei bis drei Wochen vergehen, bis alles jetzt Gegebene wirklich 
zur Stelle war. Alle Berechnungen konnten aber bis dahin durch feind- 
liche Erfolge über den Haufen geworfen und neue Forderungen zu erfüllen 
sein. Das lag in des Schicksals Hand; der Feind sprach mit. Zunächst war 
geschehen, was im Drange des Augenblicks angeordnet werden konnte. 
Auf taktischem Gebiete mußte es gelingen, die angriffsweise Führung 
der Artilleriekämpfe, die die feindliche Artillerie und Infanterie vor Be- 
ginn des Sturmes zerschlägt, wieder in den Vordergrund zu stellen. Bei 
der Unterlegenheit an Geschützen und Munition hatten wir darauf ver- 
zichtet. Vermeintliches Allheilmittel war das Sperrfeuer geworden. 
Die Infanterie wollte es haben; es hat aber doch viele gesunde Begriffe 
verwirrt. In der Theorie gut, mußte das Sperrfeuer unter dem Unge- 
witter des feindlichen Munitionsniederschlages nur zu häufig versagen. 
Unsere Infanterie, die dem Schutze des Sperrfeuers sich anvertraut hatte, 
versäumte allzu leicht, sich selbsttätig zu verteidigen. 
Die zahlenmäßige Steigerung der einzusetzenden Geschütze und verfüg- 
baren Munition, die die Grundlage für eine wirkungsvolle Artilleriever= 
wendung bildete, mußte Hand in Hand gehen mit einer strafferen Feuer- 
leitung durch die höheren Kommandobehörden und einer sicheren Einschieß- 
tätigkeit durch eigene Luftbeobachtung. Ich trat mit vielen anderen Offi- 
zieren für die Führung des Artilleriekampfes im wesentlichen durch die 
Divisionen auf Grund genauer Befehle der höheren Dienststellen ein. Das 
erregte zwar Widerspruch, allmählich wurde aber doch der Gedanke als 
richtig anerkannt. Jeder Divisionskommandeur mußte einen besonderen 
höheren Artillerie-Offizier für die Führung dieser Waffe erhalten. Das 
Fehlen einer solchen Stelle machte sich empfindlich fühlbar. 
Artillerie und Flieger waren einander näher zu bringen. Der Flieger 
mußte Liebe an der Einschießtätigkeit gewinnen. Ein Kampf hoch in der 
Luft, für den zudem hohe Auszeichnungen und die Nennung im Heeres- 
berichte in Aussicht standen, war anregender und schöner als das Ein- 
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