Taktische Fragen 211
gekämpfter Divisionen durch andere notwendig. Es war eine sehr wesent-
liche Aufgabe meiner Operations-Abteilung, immer Divisionen zur Hand
zu haben, die für die Sommeschlacht verfügbar gemacht werden konnten,
eine sehr schwierige und verantwortungsreiche Arbeit! Der Zustand der
Truppe war richtig einzuschätzen, um einmal ihre Ablösung aus ruhiger
Front überhaupt zu verfügen und ihren Einsatz an mehr oder weniger
wichtigen Stellen der Schlachtfront anzuregen.
Die Verstärkungen, die für die Schlacht freigemacht wurden, konnten
nicht umgehend für den Einsatz verfügbar sein. Die Bahnen waren
durch den regelmäßigen An= und Abtransport schon stark überlastet. Es
war nun darüber hinaus noch eine gewaltige Zugzahl zu fahren. So
mußten zwei bis drei Wochen vergehen, bis alles jetzt Gegebene wirklich
zur Stelle war. Alle Berechnungen konnten aber bis dahin durch feind-
liche Erfolge über den Haufen geworfen und neue Forderungen zu erfüllen
sein. Das lag in des Schicksals Hand; der Feind sprach mit. Zunächst war
geschehen, was im Drange des Augenblicks angeordnet werden konnte.
Auf taktischem Gebiete mußte es gelingen, die angriffsweise Führung
der Artilleriekämpfe, die die feindliche Artillerie und Infanterie vor Be-
ginn des Sturmes zerschlägt, wieder in den Vordergrund zu stellen. Bei
der Unterlegenheit an Geschützen und Munition hatten wir darauf ver-
zichtet. Vermeintliches Allheilmittel war das Sperrfeuer geworden.
Die Infanterie wollte es haben; es hat aber doch viele gesunde Begriffe
verwirrt. In der Theorie gut, mußte das Sperrfeuer unter dem Unge-
witter des feindlichen Munitionsniederschlages nur zu häufig versagen.
Unsere Infanterie, die dem Schutze des Sperrfeuers sich anvertraut hatte,
versäumte allzu leicht, sich selbsttätig zu verteidigen.
Die zahlenmäßige Steigerung der einzusetzenden Geschütze und verfüg-
baren Munition, die die Grundlage für eine wirkungsvolle Artilleriever=
wendung bildete, mußte Hand in Hand gehen mit einer strafferen Feuer-
leitung durch die höheren Kommandobehörden und einer sicheren Einschieß-
tätigkeit durch eigene Luftbeobachtung. Ich trat mit vielen anderen Offi-
zieren für die Führung des Artilleriekampfes im wesentlichen durch die
Divisionen auf Grund genauer Befehle der höheren Dienststellen ein. Das
erregte zwar Widerspruch, allmählich wurde aber doch der Gedanke als
richtig anerkannt. Jeder Divisionskommandeur mußte einen besonderen
höheren Artillerie-Offizier für die Führung dieser Waffe erhalten. Das
Fehlen einer solchen Stelle machte sich empfindlich fühlbar.
Artillerie und Flieger waren einander näher zu bringen. Der Flieger
mußte Liebe an der Einschießtätigkeit gewinnen. Ein Kampf hoch in der
Luft, für den zudem hohe Auszeichnungen und die Nennung im Heeres-
berichte in Aussicht standen, war anregender und schöner als das Ein-
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