14 Mein Denken und Handeln
daß die Oberste Heeresleitung diese ausüben mußte, da die anderen Stellen
sich zurückhielten.
Das zweite große Arbeitsgebiet des Oberstleutnants Nicolai war der
geheime Nachrichtendienst und die Spionageabwehr mit der Post-, Tele-
gramm= und Fernsprechüberwachung, den Grenz= und Postsperren, die Ab-
wehr der Wirtschaftsspionage und der Sabotage. Oberstleutnant Nicolai
hat mit seinen Nachrichten die Oberste Heeresleitung gut bedient. Die Un-
gewißheit liegt im Wesen des Krieges. Auch der Feind hat trotz seiner viel
größeren Mittel nie erfahren, was wir vorhatten. Er wurde immer über-
rascht, nur am 15. Juli 1918 nicht, da hatten wir es ihm zu leicht gemacht.
Die Auswertung der Nachrichten über den Feind für die militärische
Entschlußfassung war Aufgabe der Abteilung „Fremde Heere“, der Major
v. Rauch, ein erfahrener und sorgsamer Generalstabsoffizier, vorstand. Er
hat seiner verantwortungsreichen Aufgabe entsprochen. Auch hier hat der
Generalstab das geleistet, was füglich erwartet werden konnte.
Ich hatte noch viele andere treue Mitarbeiter in meinem Stabe: ich
nenne die Obersten v. Tieschowitz und v. Mertz, die Majore v. Waldow,
Crantz, v. Harbou, Hofmann, Bartenwerffer, Muths, die Hauptleute
Wever, Gabriel, Geyer, v. Fischer-Treuenfeld, v. Goßler, v. Poseck und
andere mehr.
Auch die Beamten und das Unterpersonal standen auf voller Höhe.
Besonders kameradschaftlich verliefen in größerem Kreise die gemein-
samen Mahlzeiten. Der Generalfeldmarschall liebte muntere und angeregte
Unterhaltung. Ich beteiligte mich gern, besprach aber auch dienstliche An-
gelegenheiten. Selbstverständlich wurde peinlich darauf geachtet, daß
operative Maßnahmen hier nicht behandelt wurden.
Besuch kam oft, zu Tisch oder auch nur auf das Geschäftszimmer.
Gäste waren zuweilen gerade in besonders kritischen Lagen anwesend.
Ich entsinne mich, wie im Oktober 1914 in Radom Herren mit einem
Liebesgabenzuge ankamen und von der bevorstehenden Einnahme War-
schaus sprachen, während ich bereits an den Rückzug von dort denken
mußte. In solchem Falle waren die Gäste eine starke Nervenbelastung.
Von durchreisenden Offizieren der verschiedenen Waffen und aus Divi-
sionen von allen Teilen der Front erfuhren wir, wie es in dem Heere zu-
ging, zuweilen besser als durch große offizielle Berichte. Auf enge Verbin-
dung mit der Front legte ich den größten Wert und erhielt viele An-
regungen, denen immer nachgegangen wurde. Diese militärischen Besuche
waren mir besonders lieb und wertvoll.
Häufig kamen Herren der Regierung aus Berlin und den Bundes-
staaten. Der Reichskanzler v. Bethmann Hollweg besuchte uns bereits im
Herbste 1914 in Posen und dann im Februar 1915 in Lötzen. Auch die