214 Der Entente-Ansturm im Herbst 1916
Bei der kurzen Dienstzeit unseres Ersatzes ist es auch nicht mehr gelungen,
so oft es auch immer wieder versucht worden ist. Das war nur möglich bei
langer eingehender Friedensausbildung, die das Schießen für den Schützen
unter den Einflüssen des Kampfes zu einer mechanischen Handlung
macht.
Bei der feindlichen Infanterie war bereits in weitem Umfange die Kraft
des Menschen durch die Maschine erhöht; wir hingegen arbeiteten noch zu
sehr allein mit dem Menschen. Wir hatten allen Grund, ihn ängstlich zu
schonen. Auch hier hatte eine durchgreifende Anderung einzutreten; das
Maschinengewehr mußte der Hauptträger der Feuerkraft der Infanterie
werden. Die Infanterie-Kompagnie mußte als neue Waffe ein leichtes
Maschinengewehr erhalten, für dessen Bedienung sie möglichst wenig Ge-
wehrträger herzugeben hatte. Unser Maschinengewehr in den Maschinen=
gewehr-Kompagnien war zu schwer dafür.
Um die Wirkung des Infanteriefeuers wenigstens an den Hauptbrenn-
punkten unserer gewaltigen Kriegstheater recht bald verstärken zu können,
sollten besondere Maschinengewehrformationen — Scharfschützenabteilungen
— aufgestellt werden. Gewisse Stämme hierzu waren bereits vorhanden;
sie mußten jetzt zusammengefaßt und erweitert werden.
Minen= und Granatwerfer sollten die Kampfkraft der Infanterie weiter-
hin verstärken. Die Anfertigung aller Schnelladewaffen war zu fördern.
Schließlich war die Ausbildung der Infanterie in Stoßtrupps, so wie
sie der Krieg hervorgebracht hatte, zu reglementarisieren und damit auch
zum Gemeingut der Infanterie zu machen. Die Lehrformationen, die Sturm-
bataillone, hatten einen hohen Wert und haben die Ausbildung weitgehend
beeinflußt; es waren Vorbilder, denen die Infanterie nacheiferte. Wie
sie es zu machen hatte, mußte ihr ihre Ausbildungsvorschrift sagen. Eine
solche fehlte bisher.
Auch für Stellungsausbau und Anlage ergaben sich aus dem
bisherigen Verlauf der Sommeschlacht wichtige Lehren. An Stelle der
tiefen Stollen in den vorderen Gräben mußten Schächte von geringer Tiefe
treten. Betonunterstände, deren Bau leider lange Zeit erforderte, ge-
wannen an Wert. Die leicht erkennbaren Grabenlinien, die jede Flieger-
photographie haarscharf wiedergab, bildeten zu gute Ziele für die feindliche
Artillerie; das ganze Verteidigungssystem mußte nach der Tiefe gestreckt,
gelockert und scharf dem Gelände angepaßt werden. Große, dichte Draht-
hindernisse, so angenehm sie für die Zeit der Ruhe waren, boten keinen
Schutz mehr. Sie verschwanden unter dem feindlichen Munitionshagel.
Leichte, schwer erkennbare Drahtzäune eigneten sich für den Kampf besser.
Stellungen am Vorderhang mit weitem Schuffeld für die Infanterie waren
vom Feinde leicht eingesehen. Sie wurden von der feindlichen Artillerie