216 Der Entente-Ansturm im Herbst 1916
Er war aus Pflichtgefühl Soldat. Seine Neigungen waren keine soldati-
schen. Er ging an seine hohe militärische Stellung und ihre Aufgaben mit
großem Ernste heran und hat, gestützt auf seine vortrefflichen Generalstabs-
chefs — zu Beginn des Krieges der bayerische General Krafft v. Dellmen-
singen und jetzt General v. Kuhl — den großen Anforderungen entsprochen,
die an einen Oberbefehlshaber zu stellen sind. Ebenso wie der deutsche Kron-
prinz war der bayerische einer Beendigung des Krieges ohne jeden Gewinn
zugetan, aber ob die Entente darauf eingehen würde, das wußte auch er
nicht. Mein Verhältnis zum Kronprinzen von Bayern ist stets gut gewesen.
Herzog Albrecht von Württemberg, der Oberbefehlshaber der 4. Armee,
der ebenfalls zugegen war, ist eine schärfer ausgeprägte Soldatennatur als
die beiden Kronprinzen. Ich habe nur selten die Freude gehabt, ihn zu
sehen, und denke an die anregende Unterhaltung mit ihm besonders gern
zurück. Er war eine Persönlichkeit.
Am Nachmittage traten wir von Cambrai aus die Rückfahrt durch
Belgien an. Der Generalgouverneur v. Bissing schloß sich ein Stück Weges
uns an. Wir verabredeten eine Verringerung unserer Besatzungstruppen
in Belgien; das bevorstehende Strecken der Verbände an verschiedenen
Stellen der Westfront machte das Einschieben von Landsturmformationen
hier und dort geboten. Ebenso baten wir ihn, uns bei der Durchführung der
beabsichtigten Kriegsgerätbeschaffung zu helfen.
Am nächsten Nachmittage sprach ich unterwegs über diese Frage mit
den Herren Duisberg und Krupp v. Bohlen u. Halbach. Ich hatte sie an
den Zug gebeten. Sie hielten eine Erhöhung des Kriegsgeräts auf Grund un-
serer Rohstofflage durchaus für möglich, wenn die Arbeiterfrage gelöst würde.
Am 9. früh langten wir in Pleß wieder an. Ich war jetzt in meiner
Stellung zu Haus und kannte mein Arbeitsgebiet. Es war ein gewaltiges
Tätigkeitsfeld, das sich mir plötzlich auftat und das von mir vieles ver-
langte, dem ich bisher vollständig ferngestanden hatte. Ich mußte tief in
das Getriebe der Kriegführung und in das Heimatleben im großen und
kleinen eindringen, mich aber auch in den großen Weltfragen mit ihren
Problemen zurechtfinden.
Die alten Geschäftszimmer — in einem Kavalierhaus des fürstlichen
Schlosses — waren zu eng geworden; neue wurden in dem Fürst Pleßschen
Verwaltungsgebäude eingerichtet. Wir zogen in das Haus des Herrn
Nasse, des Vermögensverwalters des Fürsten Pleß. Das regelmäßige
Arbeiten begann.
VIII.
Wie zu erwarten war, ging der Entente-Ansturm im September und
Oktober und noch darüber hinaus mit unveränderter Kraft fort. Der Sep-