Der Verkehr mit den Armeen 17
genau so unumwunden aus wie die Herren des Hauptquartiers. Sie
wußten, daß ich ihre eigene Ansicht hören und Klarheit haben wollte,
aber kein potemkinsches Dorf. Zuweilen wurden die Armeen daran
erinnert, daß nur objektiv Wahres zu melden sei, Ungünstiges genau so
wie Günstiges.
An den Vortrag schloß sich eine Erörterung, in der die Oberbefehls—
haber eingriffen, wenn sie nicht selbst den Vortrag übernahmen, wofür ich
besonders dankbar war. Das dem Vortrage in der Regel folgende Zu-
sammenbleiben gab mir Gelegenheit zur Aussprache mit den Oberbefeh'##=
habern über viele Fragen.
Mein Verkehr mit den Armeen blieb nicht auf die wöchentlichen Reisen
beschränkt. Ich sprach jeden Morgen mittels Fernsprechers mit den Armee-
chefs und hörte ihre Sorgen und ihre Zuversicht. Oft kamen sie mit Bitten.
Wo ich helfen konnte, geschah es, das wußten sie. Ich habe den Chefs oft
gut zugesprochen und dann das Gefühl gehabt, daß die Herren wieder ver-
trauensvoller an ihre schwere Aufgabe gingen. Von dem sogenannten
grünen Tisch war die strategische und taktische Lage manchmal einwand-
freier zu übersehen als an Ort und Stelle unter der Wirkung starker per-
sönlicher Eindrücke.
Es handelte sich für mich bei den Ferngesprächen um eine Orientie-
rung. Befehle wurden dabei nur in dringenden Fällen gegeben und dann
schriftlich an die Oberkommandos nochmals ausdrücklich wiederholt.
Selbstverständlich war, daß den Oberbefehlshabern mein Gespräch ge-
meldet wurde. Einer Chefherrschaft war ich durchaus abhold. Die Ober-
befehlshaber waren auch zu selbständige Naturen, als daß dies einreißen
konnte.
Es wurden mir einzelne Fälle bekannt, wo unter Berufung auf die
Autorität der Obersten Heeresleitung Befehle erteilt waren, die ich nie
gebilligt haben würde; da, wo ich dies hörte, griff ich scharf ein.
Wo ich nicht selbst sehen konnte, entsandte die Oberste Heeresleitung
Generalstabsoffiziere zur Berichterstattung nach vorn oder zu den Armee-
Oberkommandos, um so unmittelbar ein möglichst klares Bild von der
Lage an Ort und Stelle zu gewinnen.
Anderungen in der Stellenbesetzung der obersten Dienststellen waren
unvermeidlich. Sie wurden durch die Kommandobehörden bei dem Chef
des Militärkabinetts, für den Generalstab bei dem Chef des Generalstabes
des Feldheeres beantragt. Das war schon im Frieden im wesentlichen nicht
anders gewesen. Auch die Oberste Heeresleitung regte in einzelnen Fällen
Personenwechsel an.
Solches wurde nötig, wenn es darauf ankam, an den Brennpunkten
des Kampfes besonders kriegserfahrene Offiziere zu haben. Dies kam der
Kriegserinnerungen 1914—18. 2