242 Die Lage um die Jahreswende 1916 /17
Laufe des Jahres 1917 noch schärfer fühlbar machen würde als im Jahre
1916. Sie mußte fürchten, daß an verschiedenen Stellen unserer Fronten
frühzeitig „Sommeschlachten“ entbrennen würden, denen selbst unsere Trup-
pen auf die Dauer nicht gewachsen wären. Dies um so weniger, wenn der
Feind uns keine Zeit zur Erholung und zum Ansammeln von Kriegs-
gerät ließ. Unsere Lage war ungemein schwierig und ein Ausweg kaum
zu finden. An einen eigenen Angriff konnten wir nicht denken, wir mußten
unsere Reserven für die Abwehr verfügbar halten. Auf den Zusammen-
bruch eines der Entente-Staaten konnten wir nicht hoffen. Bei einem Hin-
ziehen des Krieges schien unsere Niederlage unausbleiblich. Hierzu
kam, daß auch unsere wirtschaftlichen Grundlagen für einen Erschöpfungs-
krieg sehr ungünstige waren. Die Kraft daheim war schwer getroffen.
Wir dachten mit Sorge an unseren Lebensunterhalt, aber auch an
unsere seelische Spannkraft. Wir arbeiteten nicht mit Hungerblockade
und Propaganda gegen die Psyche der feindlichen Völker. Der Ausblick
in die Zukunft war ungemein ernst. Beruhigendes lag nur in dem stolzen
Gedanken, daß wir bisher dem überlegenen Gegner getrotzt hatten und
überall vorwärts unserer Grenzen standen.
II.
Der Generalfeldmarschall und ich stimmten in dieser ernsten Auf-
fassung der Lage vollkommen überein. Wir hatten sie nicht plötzlich ge-
wonnen, sie hatte sich seit der Geschäftsübernahme Ende August 1916 all-
mählich von selbst entwickelt. Infolge dieser Ansicht war bereits im
September der Bau großer rückwärtiger Stellungen im Westen angeordnet:
die Siegfriedstellung in der Linie Arras—vorwärts Cambrai—St. Quentin
— La Fere—Vailly fur Aisne zur Abschrägung des weiten Bogens Albert—
Roye—südwestlich Noyon—Soissons— Vailly fur Aisne, in den durch die
Sommeschlacht eine starke Einbuchtung geschlagen war, und die Michel-
stellung, zur Abschrägung des St. Mihiel-Bogens südlich Verdun vorwärts
der Linie Etain—Gorz. Diese strategischen Stellungen boten den Vorteil
der Frontverkürzung und Kräfteersparnis, ihr Beziehen wurde planmäßig
vorbereitet. Ob dorthin zurückgegangen würde und wie die Stellungen
auszunützen wären, blieb naturgemäß im September 1916 eine offene
Frage. Zuerst mußten sie überhaupt gebaut werden. Das machte um-
fassende Maßnahmen notwendig. Ich trat mit sehr erheblichen Anforde-
rungen von Arbeitskräften an die Heimat heran. Sie deckten aber doch
nur den Bedarf für den Westen, im Osten mußten wir auf entsprechende
Stellungen verzichten.
Der Stellungsausbau, die Ausbildung des Heeres für die Abwehr-