Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

262 Die Grundlage der weiteren Kriegführung und das Kriegsinstrument 
Geist des Volkes gewinnen, der für den Ausgang des Krieges von aus- 
schlaggebender Bedeutung war. Daß die Regierung eine schwere Stellung 
gegenüber den sehr schwierigen Arbeiterfragen hatte, war gewiß. Starke 
Kriegspolitik war zu treiben, nicht nachgiebige innere Politik. Warum 
machte sie nicht das ganze Volk klipp und klar für den Ausgang des Krieges 
mitverantwortlich? Im Reichstage schien allerdings bei einigen Parteien 
das Gefühl zu fehlen, Sonderinteressen vor dem Wohle des Ganzen in der 
Not dieser Stunde zurückzustellen. Regierung und Reichstag sowie ein 
großer Teil des Volkes hatten das Wesen des modernen Völkerkrieges, der 
eben alles beansprucht, nöch nicht verstanden und haben auch niemals die 
Bedeutung ihrer kriegerischen Mitarbeit für den Endsieg richtig aufgefaßt, 
während seitens der Obersten Heeresleitung immer wieder hervorgehoben 
wurde, daß davon das Sein oder Nichtsein Deutschlands abhinge. 
Es stellte sich alsbald heraus, daß das Hilfsdienstgesetz nicht nur unge- 
nügend war, sondern überall schädlich wirkte. Für den Soldaten war es be- 
sonders empfindlich, daß die Hilfsdienstpflichtigen in demselben Betrieben 
und in denselben Stellungen ungleich günstiger gelöhnt wurden als die 
Männer, die auf Grund der bisherigen Gesetze zum Heeresdienst eingezogen 
und nun als Soldaten kommandiert waren. Diese Mißstände wurden noch 
dadurch verschärft, daß reklamierte Soldaten Lohn wie freie Arbeiter, d. h. 
wie Hilfsdienstpflichtige, erhielten. Dies war durchaus unbillig und un- 
gerecht. Noch schärfere Gegensätze entwickelten sich in der Etappe. Truppen, 
die aus den schweren Kämpfen an der Front zurückgezogen wurden, sahen 
dort Hilfsdienstpflichtige und Helferinnen, die im friedlichen Leben das 
Vielfache von dem erhielten, was der Soldat bekam. Dies mußte auf die 
Männer, die jeden Tag in Lebensgefahr standen und das Schwerste zu 
ertragen hatten, tief verbitternd wirken und die Verstimmung über die 
Soldverhältnisse noch vertiefen. Die Verwendung von Hilfsdienstpflichtigen 
in der Etappe wurde wegen ihrer hohen Besoldung ein zweischneidiges 
Schwert. Es lag etwas ungemein Ungesundes in diesen Zuständen. 
Die im September eingeleitete Maßnahme zum Aufbringen aller 
menschlichen Kräfte hatte somit nur ein dürftiges Ergebnis gezeitigt. Die in 
unserem Volke liegenden Werte wurden nicht genügend gewonnen, zum Teil 
konnten sie sich der Ausnutzung entziehen, zum Teil blieben sie brach liegen. 
Es verblieb zuviel in der Heimat, das Heer hätte mehr erhalten können. 
Das Bestreben der Obersten Heeresleitung war ein Mißerfolg geworden. 
Sie hatte die Überzeugung gewonnen, daß das deutsche Volksleben nicht 
mehr gesund war. 
Um zu einer höheren Bewertung der Kriegsarbeit und des Hilfs- 
dienstes zu kommen, hatte ich die Schaffung des Hilfsverdienstkreuzes an- 
geregt. Ich erhielt es später als einer der ersten und habe es bei der aus- 
  
 
	        
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