Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Die geistigen Waffen des Feindes 287 
  
unbewußter Selbsttäuschung diesen holden und doch so trügerischen Gaukel- 
bildern. 
In diesem Zusammenhang fiel das Wort der Propaganda, daß deutsche 
Weltbeherrschungspläne den Frieden gestört hätten und jetzt hinderten, auf 
nur zu fruchtbaren Boden. 
Tatsächlich verfolgte die deutsche Regierung in der nachbismarckschen 
Zeit überhaupt kein anderes großes außenpolitisches Ziel als die Erhal- 
tung des Friedens. Sie strebte vielleicht die Vermehrung des deutschen 
Kolonialbesitzes an. An Weltpolitik dachte sie kaum, nicht kraren Blickes 
ging sie den Weg nach Bagdad. In unserem immer mehr nach außen ge- 
richteten, den Schein über die Wirklichkeit stellenden Leben überschätzten 
wir nach 1870/71 unsere Stärke und unterschätzten die gegen uns arbeiten- 
den Kräfte. Wir dehnten uns über die Erde aus, ohne in Europa fest zu 
stehen. Das deutsche Volk war nach dem Gewinn der Reichslande und 
durch Aufrichtung des Deutschen Reiches gesättigt. Vergrößerung seines 
Kolonialbesitzes und verstärkte Weltgeltung durch Vermehrung seiner Ab- 
satzgebiete waren eine Notwendigkeit geworden. Dies war aber nur durch 
Macht zu erreichen. Es erstrebte dagegen Gleichberechtigung im fried- 
lichen Wettbewerb. Es erkannte, in Geschäftssinn und politischen Doktri- 
nen befangen, nicht, daß dies für andere Völker mit Weltherrschaft schwer 
auseinander zu halten war. 
Die Erhaltung des Friedens war ein gewaltiges Ziel. Wie unser Ver- 
teidigungskrieg nur durch Angriff zu gewinnen war, so konnten wir den 
Frieden nur durch klare, kraftvolle Politik erhalten, die ausgesprochene 
Richtlinien verfolgte. Dies tat die deutsche Politik nicht. Sie äußerte 
sich unerwartet und schroff. Die Völker, die uns feindlich gesinnt waren, 
benutzten dies, um sich gegen uns zusammenzuschließen; auch die, die bis- 
her unter sich uneins waren, einigten sich gegen uns. Anderseits zeigten 
wir uns unsicher und schwankend. Das brachte uns ebenfalls keine 
Freunde. 
Viele Deutsche wurden besorgt und gaben oft ihren Befürchtungen 
nach allen Richtungen scharfen Ausdruck. Sie entwickelten im Gegensatz zur 
Regierung sehr weitausschauende Gedanken. Es waren aber nur private 
Außerungen, die nichts anderes bei uns bedeuteten, wie in jedem anderen 
Volke. Während des Krieges hat sich diese Lage nicht geändert. Die Kriegs- 
ziele der Regierungen und Völker der Entente waren stets viel weitgehender 
als die Träume einzelner Deutschen. Wir spüren es jetzt an unserem Blut. 
Zu Weltbeherrschungsplänen gehört ein starkes Nationalbewußtsein. 
Wir haben es trotz der Reichsgründung im Jahre 1871 nicht erhalten, die 
Regierung hat es in der nachbismarckschen Zeit nicht weitergebildet; wir 
hatten im Gegenteil wieder davon eingebüßt in demselben Maße, wie wir
	        
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