294 Die Grundlage der weiteren Kriegführung und das Kriegsinstrument
Wendung. Es waren überaus ernste Hinweise, achtzugeben, um schweren
Schaden für die Kriegführung zu verhüten, ein Menetekel für die seelische
Kriegsfähigkeit des deutschen Volkes und damit auch des deutschen Heeres.
Offen lag dies wie vieles andere vor dem feindlichen Auslande, das daraus
nur zu gern seine Schlüsse zog.
Die gesamte Presse hatte sich im August 1914 aus innerster Über-
zeugung auf den Boden des Verteidigungskrieges gestellt und für die Not-
wendigkeit seiner Durchführung schöne und entschlossene Worte gefunden.
Leider trat darin später bei einem Teil eine Anderung ein. Er übersah,
daß auch unser Verteidigungskrieg nicht durch einen Verständigungsfrieden,
sondern nur durch einen Sieg beendigt werden konnte, wenn wir nicht ge-
schlagen und das Opfer unerträglicher Bedingungen werden wollten. Wie
bei der Regierung, wie im Volk, so war auch in diesem Teil der Presse der
Gedanke an Verständigung mit dem Gegner stärker als der Gedanke des
Sieges über den Feind mit allen seinen hierfür erforderlichen schweren An-
sprüchen an das ohnehin notleidende Volk. Viele der weitestverbreiteten
Blätter machten sich zu Herolden der neuen, auf Versöhnung der Völker be-
ruhenden Weltanschauung. Sie griffen diejenigen heftig an, die nicht eher
an den Friedenswillen des Feindes glauben, jedenfalls nicht früher unsere
eigene Kampfkraft schwächen wollten, als bis er sich einwandfrei zeige; die
es deshalb für nötig hielten, das Schwert so scharf und den Arm, der dieses
Schwert führte, so stark wie möglich zu erhalten.
Noch ein anderer Gedanke wurde in diesem Zusammenhang verbreitet.
Der Krieg könne überhaupt nicht rein militärisch entschieden, d. h. durch
Waffengewalt beendet werden. Zweifellos gebrauchte die Kriegführung
die Mitarbeit der Regierung, um die Wirkung der militärischen Erfolge
zu vertiefen. Aber die Masse sprach doch das letzte Wort. Darüber be-
stand kein Zweifel. Kannte man wirklich den Vernichtungswillen des
Feindes so wenig, kannte man nicht die Psyche und die Reden eines Lloyd
George und Clemenceau? Wozu noch ein Kampf, wenn er doch nicht
mehr nötig ist, um den Krieg zu gewinnen oder einer Niederlage vorzu-
beugen? Machte man sich denn gar keine Vorstellung von der Gemüts-
stimmung des Mannes, der von seinem häuslichen Getriebe hinweg, hinweg
von Frau und Kind und gutem Verdienst hinausziehen sollte in Not und
Gefahr, wenn es doch nutzlos war, wenn er dadurch sein und seiner Familie
Zukunft aufs Spiel setzte? Konnte man nicht den Mann verstehen, der
in dunkler Nacht allein über verschlammtes Trichtergelände hinweg
sich in steter Lebensgefahr nach vorn durcharbeiten mußte, wo ihn
die Hölle erwartete, oder der morgen den langersehnten Urlaub hatte und
heute noch kämpfen, vielleicht sterben mußte? Weltbeglückende Ideen
wurden erdacht, weit schweiften die Gedanken in die Zukunft, und die harte