Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

  
Leitung der Presse 295 
vorhandene Wirklichkeit wurde vergessen. Der Gewissensnot des Soldaten, 
der sein Leben hinzugeben hatte, erinnerte man sich nicht. 
Wir dachten an alles Mögliche. Wir hatten nur an den Krieg zu 
denken. 
Auch der Presse fehlte die einheitliche Leitung, die beim Feinde so 
mustergültig war. Ohne Führung konnte sie sich leicht zu einem nicht nur 
unbrauchbaren, sondern sogar schädlichen Werkzeug für die Kriegführung 
herausbilden. Daß sie es in rein militärischen Fragen nicht wurde, sondern 
in anerkennenswerter Weise auf die ihr gegebenen Anregungen einging, 
beweist ihren guten Willen, sich einer festen, auf gegenseitigem Vertrauen 
beruhenden Führung unterzuordnen. Einzelne abwegige Köpfe gab es 
allerdings. Sie hat meine Bitte, militärische Begebenheiten in diesem oder 
jenem Gedankengange zu behandeln, erfüllt. Ich kann ihr dafür hier nur 
meinen Dank aussprechen. Auch das verständliche Bestreben, den Neuig- 
keitenhunger der Leser zu befriedigen, hat nicht selten dazu geführt, daß 
sogar Nachrichten rein militärischen Charakters, die ausschließlich feind- 
lichen Propagandazwecken dienten, aus der feindlichen und neutralen 
Presse den Weg in die deutsche fanden. Kam hierzu noch die von einem 
gewissen Teile unserer Presse beliebte sensationelle Aufmachung und Über— 
schrift solcher Nachrichten, so konnten sich unsere Feinde bessere Förderer 
ihrer Propagandaziele nicht wünschen. Es liegt mir fern, in bösem Willen 
und in Sensationslust die Ursachen solcher Fehlgriffe zu suchen. Mangelnde 
Einsicht spielte dabei häufig eine Rolle, öfter wohl auch die außerordent- 
lich schwierigen Verhältnisse, die durch die Entziehung zahlreicher geschulter 
Kräfte für die Redaktionen ein Übermaß von Arbeit brachten. 
Unter dem Eindruck, den ich gewonnen hatte, wandte ich mich im De- 
zember 1916 an den Reichskanzler mit der Bitte, unmittelbar unter seiner 
Leitung bei der Reichskanzlei eine Stelle für die einheitliche Führung der 
Presse im ganzen Reiche auf allen Gebieten zu schaffen. Ich habe deren 
Führung durch das Auswärtige Amt stets für eine unglückliche Einrichtung 
gehalten. Es nahm dadurch einen Einfluß auch auf die innere Politik, 
der besser ausgeschaltet blieb. Gewiß mußten die Interessen dieses Amtes 
vertreten und berücksichtigt werden, die entscheidende und allen Ressorts 
Rechnung tragende Leitung durfte aber nur durch den Reichskanzler er- 
folgen, bei dem verfassungsgemäß alle politischen Ressorts zusammenliefen 
und ihren Ausgleich fanden. Ich überließ Anfang November 1916 Oberst- 
leutnant Deutelmoser dem Reichskanzler auf dessen Wunsch in der Hoff- 
nung, daß durch diese Berufung nach Abgang des Geheimen Rats Ham- 
mann etwas Ganzes geschaffen werden würde. Die Aufgabe, die dem 
Oberstleutnant wurde, entsprach meinen Hoffnungen nicht. Meine Forde- 
rungen hatten im einzelnen erstrebt: Leitung aller Presse-Dezernate der
	        
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