Die Zensur 299
stelle heran, Verfügungen in diesem oder jenem Sinne zu erlassen. Als ich
klarer in den Geschäftsgang sah, habe ich mich gegen eine solche Ausnutzung
der militärischen Zensur ausgesprochen und sie verhindert.
Die Unterstellung der Oberzensurstelle unter die Oberste Heeresleitung
war nicht glücklich. Sie hatte sich aus den Verhältnissen zu Beginn des
Krieges als Selbsthilfe des Generalstabes ergeben. Jede Zensur muß Un-
willen erregen; er mußte sich um so lauter äußern, je mehr pazifizistisches
Denken um sich griff und die innerpolitischen Strömungen sich gehemmt
fühlten. Die Oberste Heeresleitung hat darunter schwer gelitten. Die Ein-
richtung des Militäroberbefehlshabers als Vorgesetzten aller militärischen
Heimatsbehörden im Herbst 1916 entlastete in gewissem Maße nach außen
hin meine Stellung der Presse gegenüber. Leider lehnte aber der Kriegs-
minister im Jahre 1917 die Übernahme der Oberzensurstelle ab.
Die Presse der Bundesgenossen war fester in der Hand ihrer Regie-
rungen als bei uns. Sie hatte aber in Bulgarien und in der Türkei nicht
die Bedeutung wie in Deutschland und in Österreich-Ungarn. Es wurde
bei den Verbündeten auch eine starke politische Zensur ausgeübt.
In Österreich-Ungarn unterließ es die Regierung, die Kriegsstim-
mung irgendwie zu heben und die Völker zur Tat zusammenzuraffen. In
ihrem letzten Daseinskampf waren die Regierungen der Doppelmonarchie
keineswegs Leiter ihrer Völker.
Die Stimmungen der Bulgaren und Türken kamen wenig zu Wort,
aber doch in Bulgarien erheblich mehr als in der Türkei. Auch in Bul-
garien versagte die Regierung in der Führung des Volkes.
Besonders peinlich mußte es berühren, wie wenig anerkennend häufig
in der verbündeten Presse über Deutschland gesprochen wurde. Unsere
Nibelungentreue war wirklich kein leeres Wort. Das auf fremdem Boden
vergossene deutsche Blut hätte zum mindesten Anerkennung verdient. Ich
wurde oft bei den verbündeten Heeresleitungen vorstellig. Endlich gelang
es Oberstleutnant Nicolai, wenigstens für die Aufnahme militärischer Nach-
richten in der Presse des Vierbundes bestimmte Abmachungen herbeizu-
führen, die einen Teil der Übelstände beseitigten. Auch Reisen der Presse-
vertreter unserer Verbündeten sollten aufklärend wirken, änderten aber
nicht viel. 1
Es fehlte auch auf diesem Gebiet an einem Durchgreifen unserer
Regierung. Sie hätte für großzügige Aufklärungsarbeit im verbündeten
Ausland sorgen müssen, um damit dem Vaterland auch für die Zeit nach
dem Kriege zu nützen.
Allmählich richtete sich die militärische Auslandspropaganda Hilfs-
stellen in den verbündeten Staaten ein.