Neue Grundsätze für die Abwehrschlacht 507
sich immer mehr und mehr. Höhere Anforderungen an den unteren
Führer bis herab zum einzelnen Mann zu stellen, war bei der immer
schlechter werdenden Ausbildung des Offizier-, Unteroffizier= und Mann-
schaftsersatzes und dem damit verbundenen Sinken der Mannszucht ein
gewagtes Unternehmen, dessen Erfolg von vielen bedeutenden Militärs
bezweifelt wurde.
In meinem Stabe gingen die Wogen hoch; auch ich mußte mich durch-
ringen und machte mich zum Vertreter der neuen Taktik. Alles, was auch
weiterhin die Sommeschlacht für Artillerie= und Fliegerverwendung sowie
für das Zusammenwirken der Waffen gelehrt hatte, wurde in der neuen
Vorschrift verwertet. Sie wurde ein Lehrbuch für das gesamte Heer und die
Armeen unserer Verbündeten, soweit es die Verhältnisse bei ihnen zuließen.
Ohne diese Einschränkung war diese Vorschrift gefahrvoll; den in ihr fest-
gelegten Anforderungen konnten nur Truppen entsprechen, die, wenn auch
nicht mehr erstklassig ausgebildet, so doch von dem Gefühl selbstloser Hin-
gabe und echter Mannszucht durchdrungen waren.
Die „Abwehrschlacht“ fand ihre Ergänzung durch die „Ausbildungsvor-
schrift für die Fußtruppen im Kriege“, die bei dem Armee-Oberkommando
des Generals Fritz v. Below aufgestellt wurde. Sie legt Zeugnis von dem
tiefen Verständnis dieses bedeutenden Generals für das Wesen unserer
Infanterie ab. In meinem Stabe entstand noch eine größere Zahl anderer
Vorschriften für die Sonderwaffen und für den Stellungsbau. Die Aus-
bildungsvorschrift für die Artillerie wurde im laufenden Winter noch nicht
beendet. Die „Abwehrschlacht“ enthielt ihre wesentlichsten Punkte. Es
hatte sich im Laufe des Krieges herausgestellt, daß die „Schießkunst“ noch
nicht zum alten Eisen geworfen werden durfte, daß sie vielmehr recht
erheblich zu vertiefen sei. Zu diesem Zweck wurden besondere schieß= und
waffentechnische artilleristische Monatsblätter durch den General der Artil-
lerie im Großen Hauptquartier an die Truppen verteilt.
Auf allen Gebieten herrschte ein reges geistiges Leben im Heere. Wir
standen im engsten Gedankenaustausch mit der Truppe. Die Armee er-
hielt wohl das Beste, was überhaupt zu geben war.
Vorschriften auf dem Papier allein nützten nichts, sie mußten in
Fleisch und Blut des Offiziers und des Mannes übergegangen sein. Wir
schufen einen Kursus für höhere Truppenführer und Generalstabsoffiziere
bei Valenciennes zur Klärung der Anschauungen über die Abwehrschlacht.
Auch der deutsche Kronprinz führte bei Sedan ähnliches ein.
Bei den Armeen waren Lehrkurse aller Art insonderheit für die Aus-
bildung junger Offiziere als Kompagnieführer und der Unteroffiziere ein-
gerichtet.
Für alle Waffen bildeten die Erhaltung und Festigung der Mannszucht
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