Die polnische Frage 315
schranken, die das deutsche und österreichisch-ungarische Gebiet noch trennten,
möglichst herabgesetzt würden.
Besondere Vorbehalte für den allerdings unwahrscheinlichen Fall eines
Sonderfriedens mit Rußland waren nicht gemacht.
Es war klar, und die Naturen des Herrn v. Bethmann wie des Baron
Burian sprechen dafür, daß diesen Abmachungen sehr lange Erörterungen
vorausgegangen sein müssen, deren Beginn wahrscheinlich noch im Jahre
1915 zu suchen sein wird.
Am 5. April 1916 hatte jedenfalls der Reichskanzler erklärt, daß die
polnische Frage aufgerollt sei und Deutschland und Österreich-Ungarn deren
Lösung finden müßten.
Der Generalgouverneur in Warschau hatte sich ebenfalls mit der Frage
der Aufstellung eines polnischen Heeres beschäftigt und war zu einem un-
gemein günstigen Ergebnis gekommen.
Die Gründung des Königreichs Polen mit einer eigenen Armee stand
somit nach den Abmachungen der führenden Staatsmänner fest. Der
Generalgouverneur Polens hielt die Bildung dieser Armee nicht nur für
möglich, sondern auf Grund seiner Beobachtungen für aussichtsreich. Die
ungemein gespannte Kriegslage forderte für den Vierbund mehr als drin-
gend einen Kräfteausgleich. Die Oberste Heeresleitung mußte pflichtgemäß
die Frage nach der Bildung eines polnischen Heeres weiter verfolgen.
Jedes Zögern wäre hier ein Fehler gewesen; handelte es sich doch immer
um Sieg oder Niederlage, um Tod oder Leben des deutschen Volkes. Was
später eintreten konnte, war spätere Sorge. Die Kriegslage, in der wir
uns Anfang September befanden, hatte uns die Gefahr, in der wir
schwebten, allzu deutlich vor Augen geführt.
Sehr bald fand in Pleß mit den für die Politik und Kriegführung
verantwortlichen Stellen Deutschlands und Österreich-Ungarns unter Hinzu-
ziehung des Generals v. Beseler eine Reihe von Besprechungen über die
polnische Frage statt, in denen für mich nur die Frage der polnischen Armee
als Kraftzuschuß für die Kriegführung eine Bedeutung hatte.
General v. Beseler blieb bei seiner günstigen Auffassung, obschon Ge-
neral v. Conrad vor jedem Optimismus dringend warnte. General v. Be-
seler bezeichnete als Grundbedingung für volles Gelingen die Verkündi-
gung des Königreichs und die Bildung einer einheitlichen Verwaltung in
Polen unter Anschluß des Generalgouvernements Lublin an das General-
gouvernement Warschau. Erst dann würden die Polen sehen, daß die
Mittelmächte es ernst mit der Verwirklichung der polnischen Pläne meinten.
Hierin lag auch meines Erachtens eine innere Berechtigung. Ich trat
Baron Burian gegenüber im Interesse der Aufstellung des polnischen
Heeres sehr warm für diese Vereinigung ein. Die führenden Staats-