328 Der Entente-Angriff im ersten Halbjahr 1917
das kein Feldherr als sicheren Faktor in seine Rechnung einstellen darf.
Jetzt erst war sie keine Hoffnung mehr, sondern Wirklichkeit, mit der ich
als Soldat arbeiten konnte.
Unsere Gesamtlage hatte sich erheblich gebessert. Den Kämpfen im
Westen sah ich nunmehr mit Vertrauen entgegen.
Der U-Bootkrieg hatte gute Ergebnisse. Die Erwartungen der Marine
waren weit übertroffen. Der Ausfall der Tonnage und des versenkten
Guts mußte wirken. Der „Economist"“ vom 7. September 1918 nennt
das Frühjahr 1917 die kritischste und tödlichste Zeit, die England seit
Kriegsbeginn durchlebt hatte. Die Entente sah sich auch gezwungen,
Menschenkräfte und Kriegsgerät, die ihr bisher für den Landkrieg zur
Verfügung standen, im Seekrieg einzusetzen. Das wurde in immer steigen-
dem Maße der Fall.
Die Vereinigten Staaten erklärten am 5. April, daß zwischen ihnen
und uns der Kriegszustand bestehe. Der Niedergang Rußlands, unsere
Erfolge im U-Bootkrieg, der Wunsch, die U-Bootabwehr durch ihre Macht-
mittel zu verstärken, werden hierbei mitgesprochen haben. Schon am
3. Februar hatte Amerika mit uns die diplomatischen Beziehungen ab-
gebrochen. Ob es möglich gewesen wäre, in der Zwischenzeit zu einem
Ausgleich mit ihm zu kommen, ohne die Grundlagen des U-Bootkrieges
zu treffen, muß ich bezweifeln. Der Versuch des Auswärtigen Amtes mit
Mexiko in militärische Beziehungen zu treten, hat in den Vereinigten
Staaten die Stimmung gegen uns verschärft. Trotz meiner Warnungen
benutzte dieses Amt eine veraltete und leicht zu entziffernde Geheimschrift.
Bald nach der Kriegserklärung Amerikas stand uns die ganze Welt
gegenüber, nur wenige Staaten, darunter auch Argentinien und Chile,
bewahrten trotz des feindlichen Druckes ihre Neutralität.
Auch die anderen Vierbundstaaten traten mit den Vereinigten Staaten
in den Kriegszustand, nur Bulgarien nicht. Der amerikanische Vertreter
blieb in Sofia. Die deutsche Regierung unterließ es, seine Abberufung bei
der bulgarischen Regierung durchzusetzen, obschon ich mehrfach darum bat.
Dies Unterlassen sollte sich später sehr schwer rächen.
Der Hinzutritt der Vereinigten Staaten zu der Zahl unserer Feinde
war für mich nicht überraschend. Ich hatte damit, auch wenn der
U Bootkrieg nicht in der verschärften Form geführt worden wäre, für
den Fall gerechnet, daß unsere Waffen siegreich blieben. Schon im Früh-
jahr 1915 hatte sich ein amerikanischer Korrespondent an der Ostfront in
diesem Sinne ausgesprochen. Er gab sicherlich nicht nur die eigene Ansicht
wieder.
Amerika kannte Deutschland im Frieden nicht und sah es jetzt, sowie
die Vorgänge in Curopa, in Blutsverwandtschaft mit England, nur