Die Kämpfe vor der Stadt 27
Grund entstanden, im Gegenteil war die Auffassung der Lage, die ihn ver-
ursacht hatte, eine recht bedauerliche gewesen. Ich selbst war eigentlich nur
Schlachtenbummler, hatte keine Befehlsgewalt und sollte nur mein später
eintreffendes Armee-Oberkommando über die Vorgänge bei Lüttich unter-
richten sowie die Maßnahmen des Generals v. Emmich mit den zu er-
wartenden Anordnungen des Generals v. Bülow in Einklang bringen.
Ich setzte die Kolonne selbstverständlich in Marsch und blieb an ihrem An-
fang. Die Verbindung nach vorn war inzwischen verlorengegangen. In
voller Dunkelheit, mit Mühe den Weg verfolgend, kamen wir nach Retinne.
Der Anschluß nach vorn fehlte immer noch. Ich trat mit der Spitze aus
einem falschen Dorfausgang hinaus. Schüsse schlugen uns entgegen. Rechts
und links fielen Leute. Den hörbaren Einschlag der Geschosse in mensch-
liche Körper werde ich nie vergessen. Wir machten einige Sprünge gegen
den nicht sichtbaren Feind, dessen Feuer lebhafter wurde. In der Dunkel-
heit war das Zurechtfinden nicht leicht. Es konnte aber kein Zweifel sein,
daß wir falsch gegangen waren. Wir mußten aus dem Feuer zurück, das
war peinlich. Die Mannschaften konnten nur glauben, ich hätte Furcht.
Es half nichts, Höheres stand auf dem Spiel. Ich kroch zurück und gab den
Leuten den Befehl, bis an den Dorfrand zu folgen.
In Retinne setzte ich mich auf den richtigen Weg. Hier sah
ich den Pferdeburschen des Generals v. Wussow mit dessen Pferden. Er
meinte, der General sei gefallen. Mit geringer Begleitung schlug ich
den richtigen Weg, die Chaussee nach Quene du Bois, ein. Plötzlich ein
Feuerschein vor mir. Ein Kartätschschuß prasselte die Straße entlang, wir
blieben unverletzt. Nach wenigen Schritten stießen wir auf einen Haufen
totier und verwundeter deutscher Soldaten. Es war die Spitze mit General
v. Wussow, ein früherer Kartätschschuß mußte sie getroffen haben. Ich
sammelte die nach und nach eintreffenden Soldaten des Jäger-Bataillons 4
und des Infanterie-Regiments 27 und beschloß, die Führung der Brigade
zu übernehmen. Zunächst galt es, die Geschütze zu beseitigen, die die
Straße beschossen. Die Hauptleute v. Harbou und Brinckmann vom Ge-
neralstabe schoben sich mit einigen tapferen Leuten durch die Hecken und
Gehöfte zu beiden Seiten der Chaussee an die Geschütze heran. Die starke
Besatzung ergab sich. Der weitere Weg war frei.
Wir gingen vor und traten bald darauf in Queue du Bois in einen
schweren Häuserkampf. Es wurde allmählich hell. Die beiden Generalstabs-
hauptleute, der Kommandeur der 4. Jäger, Major v. Marcard, der Kom-
mandeur der II. Abteilung Feld-Regiments 4, Major v. Greiff, und sein
vortrefflicher Adjutant Oberleutnant Neide, einige Soldaten und ich schrit-
ten vorweg. Eine Feldhaubitze und später eine zweite wurden in gleiche
Höhe vorgeholt. Sie säuberten die Straßen und schossen in die Häuser rechts