Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Die Kämpfe vor der Stadt 27 
  
Grund entstanden, im Gegenteil war die Auffassung der Lage, die ihn ver- 
ursacht hatte, eine recht bedauerliche gewesen. Ich selbst war eigentlich nur 
Schlachtenbummler, hatte keine Befehlsgewalt und sollte nur mein später 
eintreffendes Armee-Oberkommando über die Vorgänge bei Lüttich unter- 
richten sowie die Maßnahmen des Generals v. Emmich mit den zu er- 
wartenden Anordnungen des Generals v. Bülow in Einklang bringen. 
Ich setzte die Kolonne selbstverständlich in Marsch und blieb an ihrem An- 
fang. Die Verbindung nach vorn war inzwischen verlorengegangen. In 
voller Dunkelheit, mit Mühe den Weg verfolgend, kamen wir nach Retinne. 
Der Anschluß nach vorn fehlte immer noch. Ich trat mit der Spitze aus 
einem falschen Dorfausgang hinaus. Schüsse schlugen uns entgegen. Rechts 
und links fielen Leute. Den hörbaren Einschlag der Geschosse in mensch- 
liche Körper werde ich nie vergessen. Wir machten einige Sprünge gegen 
den nicht sichtbaren Feind, dessen Feuer lebhafter wurde. In der Dunkel- 
heit war das Zurechtfinden nicht leicht. Es konnte aber kein Zweifel sein, 
daß wir falsch gegangen waren. Wir mußten aus dem Feuer zurück, das 
war peinlich. Die Mannschaften konnten nur glauben, ich hätte Furcht. 
Es half nichts, Höheres stand auf dem Spiel. Ich kroch zurück und gab den 
Leuten den Befehl, bis an den Dorfrand zu folgen. 
In Retinne setzte ich mich auf den richtigen Weg. Hier sah 
ich den Pferdeburschen des Generals v. Wussow mit dessen Pferden. Er 
meinte, der General sei gefallen. Mit geringer Begleitung schlug ich 
den richtigen Weg, die Chaussee nach Quene du Bois, ein. Plötzlich ein 
Feuerschein vor mir. Ein Kartätschschuß prasselte die Straße entlang, wir 
blieben unverletzt. Nach wenigen Schritten stießen wir auf einen Haufen 
totier und verwundeter deutscher Soldaten. Es war die Spitze mit General 
v. Wussow, ein früherer Kartätschschuß mußte sie getroffen haben. Ich 
sammelte die nach und nach eintreffenden Soldaten des Jäger-Bataillons 4 
und des Infanterie-Regiments 27 und beschloß, die Führung der Brigade 
zu übernehmen. Zunächst galt es, die Geschütze zu beseitigen, die die 
Straße beschossen. Die Hauptleute v. Harbou und Brinckmann vom Ge- 
neralstabe schoben sich mit einigen tapferen Leuten durch die Hecken und 
Gehöfte zu beiden Seiten der Chaussee an die Geschütze heran. Die starke 
Besatzung ergab sich. Der weitere Weg war frei. 
Wir gingen vor und traten bald darauf in Queue du Bois in einen 
schweren Häuserkampf. Es wurde allmählich hell. Die beiden Generalstabs- 
hauptleute, der Kommandeur der 4. Jäger, Major v. Marcard, der Kom- 
mandeur der II. Abteilung Feld-Regiments 4, Major v. Greiff, und sein 
vortrefflicher Adjutant Oberleutnant Neide, einige Soldaten und ich schrit- 
ten vorweg. Eine Feldhaubitze und später eine zweite wurden in gleiche 
Höhe vorgeholt. Sie säuberten die Straßen und schossen in die Häuser rechts
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.