350 Der Entente-Angriff im ersten Halbjahr 1917
Note vom 18. Dezember möglich? War zu verkennen, daß das Nachlassen
der Kriegsfähigkeit der Heimat die Kraft der Kriegführung lähmen mußte?
Wie ernst die Lage von der Obersten Heeresleitung angesehen wurde,
hatten der Entschluß zum U-Bootkrieg und das Zurückverlegen der Front
in die Siegfriedstellung drastisch und auch dem Nichtmilitär verständlich
gezeigt. Es mußte der Regierung klar sein, daß nur wirkliches und durch-
greifendes Schaffen helfen konnte.
An einem der ersten Apriltage 1917 erhielt der Kaiser den Besuch des
Kaisers Karl in Homburg. In seiner Begleitung befanden sich Graf Czernin
und General v. Arz. Der Reichskanzler, der Generalfeldmarschall und ich
waren gleichfalls nach Homburg befohlen.
Herr v. Bethmann und Graf Czernin hatten sich schon vorher gesehen.
Am 27. März hatten beide Herren Vereinbarungen getroffen, die in dem
„Wiener Dokument“ vom gleichen Tage niedergelegt sind. Es umfaßt ein
Minimalprogramm der Friedensbedingungen, das sich auf den status
quo ante stellt, und ein Programm für einen günstigen Kriegsausgang,
das sich den von mir vertretenen Gedankengängen anschließt. Von einem
Verzicht nach irgendeiner Richtung hin war nicht die Rede.
Dieses wichtige Dokument kam erst am 5. Februar 1918 zur Kenntnis
der Staatssekretäre und der Obersten Heeresleitung.
Während sich in Homburg die Majestäten und die Staatsmänner be-
sprachen, hatten General v. Arz, der Generalfeldmarschall und ich eine Be-
ratung über die Lage. Wir hatten die Siegfriedstellung bezogen und
sahen den großen Aprilangriffen entgegen. Ich hielt damals den englischen
Ansturm für dicht bevorstehend. Der Erfolg des U-Bootkrieges war im
März gut gewesen. Das Reichsamt des Innern begann seine Wirkung hoch
einzuschätzen. Die Bedeutung Amerikas wurde voll gewürdigt. Unsere
Beurteilung der Lage war ernst, doch zuversichtlich, wir hofften für die
nächste Zeit die Ententeangriffe abzuwehren und mußten im übrigen den
U--Bootkrieg und die Entwicklung der Verhältnisse in Rußland abwarten.
General v. Arz hatte für die k. u. k. Fronten die gleichen Hoffnungen,
setzte aber hinzu, daß die k. u. k. Armee infolge des Rohstoffmangels und
des stark beanspruchten Menschenmaterials nur noch bis zum Winter
kämpfen könne. Es herrschte über die Notwendigkeit, zunächst den Krieg
mit aller Energie fortzuführen, kein Zweifel. Wie sich die Verhältnisse zum
Winter gestalten würden, war nicht zu übersehen.
Gegen 12 Uhr mittags war Besprechung zwischen dem Reichskanzler,
dem Grafen Czernin, dem Generalfeldmarschall, General v. Arz und mir.
Der Reichskanzler fragte mich vor Beginn der Sitzung, ob ich die Zeit zu
einem Friedensschritt für gekommen hielte. Ich konnte ihm nur antworten,
daß wir vor einer großen Kraftanstrengung der Entente stünden und ich