Besprechung in Homburg 351
nicht glaube, daß jetzt militärisch der geeignete Zeitpunkt sei. Weiter wurde
die Frage nicht verfolgt, auch nicht im Zusammenhang mit der russischen
Revolution. Graf Czernin schlug vor, wir sollten zur Herbeiführung
eines baldigen Friedens Elsaß-Lothringen an Frankreich geben. Österreich-
Ungarn würde Galizien mit Polen vereinigen und für eine Angliederung
Polens an Deutschland eintreten. In diesem Augenblick wurde unser Zu-
sammensein mit den beiden Staatsmännern, das etwa zehn Minuten ge-
dauert hatte, unterbrochen. Der Reichskanzler und Graf Czernin wurden zu
den beiden Kaisern gerufen. Damit war für mich der offizielle Teil der
Kaiserzusammenkunft beendet. Ich wurde nur noch am Nachmittag von
Kaiser Karl empfangen.
Graf Czernin setzte mir nach dem Frühstück in einem Privat
gespräch seine Ansichten auseinander. Er begründete zunächst seinen Wunsch
nach Frieden mit den inneren Verhältnissen der Doppelmonarchie. Ich
hatte keinen Grund, mit meinem persönlichen Denken zurückzuhalten.
Ich war schließlich auch Sohn meines Vaterlandes und hatte das gute Recht,
auszusprechen, was ich dachte. Ich habe Graf Czernin geantwortet, daß
er die Völker der Doppelmonarchie fester führen und ihren Geist
heben müsse. Er entgegnete mir, das wäre nicht möglich. Ich wandte
mich darauf seinen Vorschlägen zu. Sein polnisches Projekt erschien
mir sehr fragwürdig; welche Stellung würde Polen dazu einnehmen?
Wie würde es auf unsere östlichen Landesteile wirken! Ich war
über diesen ganzen Plan um so mehr erstaunt, als die österreichisch-un-
garische Polenpolitik in Warschau jeder Aufrichtigkeit den deutschen Inter-
essen gegenüber entbehrte. In diesem polnischen Projekt war alles unklar,
dagegen war die Abtretung Elsaß-Lothringens an Frankreich für uns
eine recht eindeutige Frage, von der meines Erachtens so lange nicht die
Rede sein konnte, so lange wir nicht geschlagen waren. Jedes Volk steht
und fällt mit seiner Ehre. Daß Elsaß-Lothringen aber deutsches Land und
es für uns ein Ehrenpunkt sei, zur Verteidigung dieses Besitzes bis zum
äußersten zu kämpfen, darin waren sich alle Parteien bis auf die Unab-
hängige Sozialdemokratie stets einig gewesen. Jede Regierung und auch
die Oberste Heeresleitung, die das verkannt hätten, wären damals mit Recht
von dem empörten Volkswillen fortgefegt worden. Unsere Lage war ge-
wiß ernst, aber wir waren auch noch zu großen Kraftäußerungen fähig,
wir mußten nur wollen. Die Abtretung Elsaß-Lothringens war ein offenes
Schwächebekenntnis, das auch von harmlosen Gemütern als solches beurteilt
worden wäre. Es war damals durch nichts begründet. Mit Sicherheit
war zu erwarten, daß die Entente in all diesen Projekten nichts anderes
sehen würde, als irgendeine Falle oder als ein Eingeständnis unserer mili-
tärischen Niederlage, das ihre Forderungen erheblich gesteigert haben würde.