Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Die austro-polnische Lösung 353 
  
Ein baldiger Friedensschluß wurde von Österreich = Ungarn dauernd 
erörtert. So wurde in einem Brief Kaiser Karls an Seine Majestät um 
Mitte April ein Frieden, eventuell unter großen Opfern, behandelt. Die 
Gefahren einer internationalen Revolution waren sehr eingehend geschildert 
und darauf die dringende Notwendigkeit eines solchen Friedens begründet. 
Diesen und ähnliche Briefe gab Seine Mocjestät dem Reichskanzler zur 
Beantwortung. Der Generalfeldmarschall und ich hatten uns dazu vom 
militärischen Standpunkt gutachtlich zu äußern, ebenso wie der Chef des 
Admiralstabes von seiten der Seekriegführung. Natürlich sagten wir pflicht- 
mäßig das, was wir für richtig ansahen; wie unser Gutachten verwertet 
wurde, war Sache des Reichskanzlers. In diesem Fall deckten sich die 
Auffassungen desselben mit unserer wie auch mit der des Chefs des 
Admiralstabes. , « 
Der Reichskanzler stellte sich in seiner Anwort von Anfang Mai auf 
den Standpunkt, daß bei den augenblicklich weitgehenden Erwartungen 
der Entente auf einen entscheidenden Erfolg ihrer Offensive und ihren 
Hoffnungen auf ein Wiedererstarken Rußlands eine zu auffällig unter— 
strichene Friedensbereitschaft zur Erfolglosigkeit verdammt sein würde; 
der auf ihr ruhende Schein hoffnungsloser Erschöpfung der Mittelmächte 
könne nur die Kräfte des Gegners von neuem beleben. Augenblicklich 
wäre ein Frieden nur durch Unterwerfung unter den Willen unserer 
Feinde zu erkaufen, aber einen solchen Frieden würde das Volk nicht 
verstehen und ertragen. 
Die Verhältnisse in Rußland hätten sich bisher zu unseren Gunsten 
entwickelt, immer mehr dränge sich dort der Wunsch nach Frieden hervor. 
Unsere ernste Aufgabe wäre es, den Entwicklungs- und Zersetzungsprozeß 
in Rußland aufmerksam zu verfolgen und zu begünstigen sowie kommende 
russische Sondierungsversuche so zu behandeln, daß sie zu tatsächlichen 
Friedensverhandlungen führten. Vielleicht stellten diese dann das Prä- 
ludium zum allgemeinen Frieden dar. 
Der Brief des Kaisers Karl hatte hiermit seine offizielle Erledigung 
gefunden. 
Graf Czernin trat noch bei vielen Gelegenheiten für den Frieden ein. 
Er befürwortete zwar auch weiterhin deutsche Abtretungen an Frankreich, 
ob aber die Entente friedensgeneigt sei, ob irgend ein greifbarer Weg 
zum Frieden bestünde, hat er dabei nicht sagen können. Graf Czernin 
würde es sicherlich getan haben, wenn er einen solchen Weg gefunden 
hätte. 
Er hat in seiner Rede vom 11. Dezember 1918 über die Kriegs- 
und Friedensfragen lange Ausführungen gemacht. Wohl nur, um zu 
zeigen, daß er das Unglück hätte kommen sehen. Das ist ein unfruchtbares 
Kriegserinnerungen 1914—18. 23
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.