Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

364 Der Entente-Angriff im ersten Halbjahr 1917 
  
  
sönlichkeiten gegeben. Es war ganz auffallend, wie der Offizierstand, dessen 
Mitglieder als die gebundensten angesehen würden, entschlußfreudige Cha- 
raktere großgezogen, dagegen die Beamtenlaufbahn das in so ausgesproche- 
nem Maße leider nicht vermocht hatte. Führende Männer des öffent- 
lichen Lebens hielten sich abseits und gingen ihren Berufen nach. Vielleicht 
waren im Reichstage ausgesprochene Persönlichkeiten vorhanden, die die 
Geschicke des Landes leiten konnten. Bei dem herrschenden Parteiwesen 
war es ausgeschlossen, daß sie hervortraten. Wir waren arm an Männern. 
Neue schöpferische Köpfe hatte unser politisches System nicht hervorgebracht. 
Es hat sich durch seine Unfruchtbarkeit sein Urteil gesprochen. 
Unsere Teilnahme an den weiteren parlamentarischen Besprechungen 
im Reichsamt des Innern über die Friedensresolution war von dem neuen 
Reichskanzler angeregt worden. Ich bat ihn, davon Abstand zu nehmen. 
Das Gefühl, daß wir unsere Aufgabe mit dem vorhergegangenen Tage 
beendet hätten und nur in den politischen Wirwarr hineinkämen, be- 
herrschte mich. Der Reichskanzler blieb bei seiner Bitte stehen. Wir 
wollten ihn, so weit es uns möglich war, bei Üübernahme der schweren Erb- 
schaft stützen und entschlossen uns, seinem Wunsche zu entsprechen. Es lag 
uns zugleich daran, dadurch Dr. Michaelis zu zeigen, welchen Wert wir 
auf vertrauensvolles Zusammenarbeiten mit der Reichsregierung legten. 
Der Generalfeldmarschall und ich äußerten uns oft auch schriftlich in diesem 
Sinne dem neuen Reichskanzler gegenüber. 
Bei der Zusammenkunft war uns äußerst bemerkenswert, daß die Not- 
wendigkeit der Friedensresolution von den Mehrheitsparteien mit der 
inneren Stimmung begründet wurde. Nur so könne die Masse zum weiteren 
Durchhalten befähigt werden, falls der erwünschte Friede nicht käme. Das 
war ein trübes Stimmungsbild und noch erheblich schlechter, als ich er- 
wartet hatte. Gleichzeitig drang die Hoffnung auf einen feindlichen Zu- 
sammenbruch durch. Die russischen Sozialisten wollten die übrigen Entente- 
staaten zur Verzichtleistung zwingen. Im übrigen kam Neues nicht zur 
Erörterung. Der Generalfeldmarschall sprach sich nochmals als ältester 
Vertreter der Obersten Heeresleitung gegen die Resolution aus. Ich 
wies nur die neben mir sitzenden Herren der Mehrheitsparteien darauf 
hin, daß in der Resolution jede Bezugnahme auf das Heer fehle. Die 
Herren nahmen infolgedessen noch einen Satz auf, der dem Heere den 
Dank des Volkes aussprach. Beim Auseinandergehen bat ich den Ab- 
geordneten Erzberger, die Friedensresolution zu verhindern. Ich hatte im 
übrigen das Gefühl, daß meine Anwesenheit bei der Besprechung über die 
Friedensresolution nicht notwendig gewesen und ich besser nicht hingegangen 
wäre. Dem habe ich später Ausdruck gegeben, unter anderem auch gegen- 
über dem Abgeordneten Müller-Meiningen.
	        
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