366 Der Entente-Angriff im ersten Halbjahr 1917
lung der Arbeiter= und Soldaten-Räte in Verbindung mit den Vorgängen
zwischen dem 5. und 9. November 1918:
„Diese vier Tage bis zum 9. November benutzten Scheidemann und
seine Genossen, um die Früchte der fast zweijährigen Arbeit der Unab-
hängigen zu ernten.“
Ein anderer Führer, Richard Müller, gab an: „Die Vorbereitungen
zur Revolution sind schon im Juni 1916 getroffen worden, wenn auch da-
mals noch nicht so zielklar."“
Die Unabhängige sozialdemokratische Partei hat den Umsturz seit
langem planmäßig vorbereitet. Die Reichstagsmehrheit, ein Teil der
Presse und des Volkes leisteten dieser Arbeit leider — vielfach unbewußt —
Vorschub.
Ich hatte im Juli 1917 die bestimmte Ansicht gewonnen, daß die
Oberste Heeresleitung unter den vorliegenden Verhältnissen nicht bis Ende
August untätig sein dürfte. Das, was sie zur Wiederbelebung unserer
geistigen Kriegsfähigkeit ins Leben rufen konnte, war sogleich anzuordnen.
Ich war mir bewußt, daß dies nur Stückwerk sei, solange die Regierung
nicht selbst tatkräftig auf diesem Gebiete vorging.
Mir fehlte auch bei der Langsamkeit und Unklarheit der inneren Re-
gierungsmaschine jede Gewähr, daß unter dem neuen Reichskanzler ganze
Arbeit gemacht würde, selbst wenn er sich persönlich an die Spitze der Auf-
klärungstätigkeit stellte. Es war auch für ihn nicht leicht, etwas durchzu-
drücken und etwas Neues ins Leben zu rufen, da die meisten Reichsstellen
von demselben Geist beherrscht waren, der bisher von dem Reichskanzler-
palais ausgegangen war, ihm zum mindesten nicht widerstrebten, was in
der Wirkung gleich ist. ·
Ich hatte schon seit langem die Frage eines Aufklärungs-Unterrichts
für das Heer erwogen. Sie wurde jetzt brennend. Nach dem Entwurf,
den mir Oberstleutnant Nicolai vorlegte, schuf die Oberste Heeresleitung
den vaterländischen Unterricht beim Feldheer, doch nur einen schwachen
Ersatz für die bei der Entente so eindringliche Aufklärungsarbeit nach innen.
Die Bedeutung des vaterländischen Unterrichts oder, wie es zunächst
noch hieß, der Aufklärungstätigkeit unter den Truppen war in folgenden
Sätzen zusammengefaßt:
„Das deutsche Heer ist durch den Geist, der es beseeit, seinen Feinden
überlegen und seinen Verbündeten ein starker Rückhalt.
Zu Beginn des Krieges war die Grundlage dafür Begeisterung und in
langer Friedensausbildung anerzogene Mannszucht. Die drei Kriegs-
jahre haben diese Grundlage verschoben und erweitert. Verständliche Sehn-
sucht nach Heimat, Familie und Beruf kann die Kampfentschlossenheit lähmen
und den Willen, bis zum endgültigen Sieg durchzuhalten, abschleifen.