Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

30 Lüttich 
  
Die Brigade rückte nun an und besetzte die Zitadelle, die ich sofort zur 
Verteidigung einrichtete. 
Meine selbstübernommene Aufgabe war damit beendet. Ich konnte 
General v. Emmich bitten, mich nunmehr zu entlassen. Ich beabsichtigte. 
auf dem gleichen Wege, auf dem ich hineingekommen war, aus der Festung 
herauszufahren, um das Armee-Oberkommando von dem Vorgefallenen in 
Kenntnis zu setzen, die anderen Brigaden aufzusuchen und den Artillerie- 
aufmarsch gegen die Forts einzuleiten. Noch während ich auf der Zita- 
delle war, trafen einige hundert Mann deutsche Gefangene ein, die jetzt 
befreit waren. Die 34. Inf. Brig. war auf dem westlichen Maasufer mit 
ihren Anfängen durchgebrochen, hatte aber dann den Kampf aufgegeben. 
Die durchgebrochenen Teile waren gefangen genommen. Dann kam noch 
die 11., später die 27. Inf. Brig., so daß General v. Emmich, als ich ihn 
verließ, doch über eine gewisse Macht verfügte. Allerdings lagen Mel- 
dungen vor, daß Franzosen von Namur in Vormarsch wären. Die Lage 
blieb also verzweifelt ernst. Sie konnte erst als gesichert angesehen werden, 
wenn wenigstens einige Ostforts gefallen waren. 
V. 
Mein Abschied von General v. Emmich war bewegt. Um 7 Uhr trat 
ich die Fahrt nach Aachen an, die eigenartig war. Ein Mann der Garde 
civique erbot sich, mich dorthin zu bringen. Er wählte einen Kraftwagen 
aus, den ich aber ablehnte. Der Kraftwagen, den ich nahm, versagte schon 
in der Zitadelle. Mir blieb so nichts anderes übrig, als mich blind dem 
belgischen Soldaten anzuvertrauen. Die Fahrt ging glatt. Wir kamen. 
durch Hervé; mein Quartier und der Bahnhof waren niedergebrannt. Auf 
deutschem Gebiet blieb der Wagenführer plötzlich halten und erklärte mir, 
er könne nicht weiterfahren. Mit Hilfe verschiedener Fahrgelegenheiten 
traf ich dann spät abends mit meinem belgischen Soldaten in Aachen ein. 
Ich wurde dort in dem Hotel Union wie ein vom Tode Auferstandener be- 
grüßt. Hier fand ich auch unsere große Bagage mit meinem Burschen Ru- 
dolf Peters, der mir Treue während sechs langer Jahre bewahrt hat. Sein 
größter Wunsch war das Eiserne Kreuzz er konnte es nicht erhalten, da die 
Verleihung desselben an ihn meinen Anschauungen widersprach. In Aachen 
aß ich schnell und fuhr dann in der Nacht nach vorn, um die Brigaden zu 
suchen. Beinahe 90 Stunden kam ich nicht aus den Kleidern. Ich traf 
zufällig mein altes Regiment, das in aller Eile auf die Bahn gesetzt war, 
um bei Lüttich zu helfen. Auch die Oberste Heeresleitung in Berlin hatte 
über unser Schicksal die schwersten Befürchtungen gehegt. 
Die Lage unserer Truppen in der Festung war hochgespannt. Ich
	        
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