Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

374 Der Entente-Angriff im ersten Halbjahr 1917 
  
auf die lange Bank zu schieben. Der Regierung glückte es auch jetzt 
nicht, Herrn Radoslawow zur Abberufung des Vertreters der Vereinigten 
Staaten aus Sofia zu bewegen, ich nehme an, daß sie sich wieder darum 
ernstlich bemüht hat. 
Das Gebiet des Oberbefehlshabers Ost hatte ich Ende August 1916 
verlassen. Die Verwaltung, die ich eingerichtet hatte, trug nur den mili- 
tärischen Anforderungen Rechnung, sie arbeitete auch 1917 gut. Ihrem 
Wirken mußte nun allmählich mehr politischer Inhalt gegeben werden. 
Es war damit zu rechnen gewesen, daß die Proklamation des Königreichs 
Polen am 5. November auf die Litauer niederdrückend wirken und im Ge- 
biet des Oberbefehlshabers Ost eine großpolnische Agitation ins Leben rufen 
würde. Die Richtlinien für eine neutrale Behandlung der völkischen 
Fragen und Gleichstellung aller Nationalitäten genügten allein nicht mehr. 
Auf meine Bitte erließ Staatssekretär v. Jagow eine öffentliche 
Kundgebung in den Zeitungen des besetzten Gebiets mit dem Zweck, 
die Litauer zu beruhigen. Diese Außerung erschien gleichzeitig mit der 
Proklamation des Königreichs Polen. Die litauische Bewegung, die bisher 
ausschließlich von der Schweiz ausgegangen war, kam nun im Lande 
selbst im Fluß, daneben wuchs die großpolnische Bewegung, deren Ziel die 
Angliederung Litauens an Polen war. Solche Agitation zu durlden, 
hatten wir keinerlei Veranlassung. Polen hatte durch sein Verhalten bei 
der Heeresbildung klar gezeigt, daß es lediglich politischer Kriegsgewinnler 
sein wollte. Wir mußten jetzt ausschließlich an unsere eigene Zukunft und 
die Gefahren denken, die von den Polen kommen konnten. Der Oberbefehls- 
haber Ost erhielt deshalb in Übereinstimmung mit der bisher befolgten 
Politik die Weisung, daß jede Stärkung des Polentums, das nur auf 
Kosten anderer Nationalitäten gewinnen konnte, im Gebiet des Ober- 
befehlshabers Ost unerwünscht sei. 
Die Litauer nahmen selbst den Kampf mit den Polen auf, indem 
sie ihre Empfindungen und Wünsche schärfer betonten. Im März 1917 
reichten sie hierüber eine Eingabe an den Oberbefehlshaber Ost ein. Dieser 
legte nun der Obersten Heeresleitung eine Denkschrift über die Wege 
vor, die die deutsche Politik im Verwaltungsgebiete einschlagen müsse. 
Wir gaben die Denkschrift an den Reichskanzler mit der Bitte weiter, 
einen bestimmten Beschluß zu fassen für die im Befehlsbereich des 
Oberbefehlshabers Ost zu treibende völkische Politik. Die Oberste 
Heeresleitung führte dabei etwa aus, daß es ausgeschlossen sei, daselbst 
eine ausgesprochene Polenpolitik zu treiben. Ein Polen, das sich um Ost- 
und Westpreußen herumlegte, sei mit der militärischen Sicherheit 
Deutschlands nicht vereinbar. Die deutsche Herrschaft im Gebiete des 
Oberbefehlshabers Ost müsse sich auf die Litauer und die Weiß-
	        
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