394 Die Schlacht in Flandern und der Zusammenbruch Rußlands
Im Westen entspannte sich die durch die Schlacht in Flandern und
die Schlacht um die Laffaux-Ecke und deren Nachwehen entstandene Krise.
Wir warteten auf die Fortsetzung der Angriffe in Flandern und an der
französischen Front, da traf uns am 20. November überraschend bei Cam-
brai ein neuer Schlag. Die Siegfriedstellung war nur schwach besetzt.
Die Kämpfe weiter näördlich, namentlich die starken Truppenansamm-
lungen in Flandern, hatten die Heeresgruppe Rupprecht mit Zustimmung
der Obersten Heeresleitung veranlaßt, die in der Siegfriedstellung stehen-
den Divisionen — abgekämpfte oder Landwehr-Divisionen — immer
weiter zu strecken. Hier trat dadurch ein ernstliches Gefahrsmoment ein,
das wir sofort auszugleichen erstrebten. Der Austausch müder West= gegen
kampfkräftige Ostdivisionen hatte bei dem Stande der Dinge im Osten
begonnen. Die um Mitte November im Osten abfahrende 107. Inf.-Dio.
war für die Gegend von Cambrai bestimmt. Sie war mit ihrem Anfang
dort gerade eingetroffen, als der feindliche Stoß erfolgte.
Der Engländer hatte unter dem Schutze der Dunkelheit und der großen
Waldungen von Havrincourt während mehrerer Nächte bedeutende Tank-
geschwader und Kavallerie-Divisionen zwischen den von Bapaume und Pé-
ronne auf Cambrai führenden Straßen zusammengezogen und war am
20. frühzeitig nach kurzem, kräftigem Feuerschlag seiner Artillerie zum
Angriff angetreten. Die Tanks überfuhren Hindernisse und Gräben und
öffneten so der nachfolgenden Infanterie und den Kavallerie-Divisionen
den Weg. Als ich bald nach 8 Uhr morgens mit dem Generalstabschef der
2. Armee sprach, meldete er mir bereits feindliche Einbrüche in unsere
Front. Ich setzte darauf sofort einige Divisionen, die hinter der Heeres-
gruppe Deutscher Kronprinz noch mehr oder minder unausgeruht standen,
mit der Bahn in die Gegend von Cambrai und südlich in Bewegung und
bat die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht, ihrerseits Kräfte in die
Gegend nördlich Cambrai zu schieben. General v. Kuhl war, noch bevor er
Nachricht von der Schlacht bei der 2. Armee hatte, im Kraftwagen zur
4. Armee gefahren. Das Inmarschsetzen der Divisionen dieser Heeres-
gruppe verzögerte sich dadurch. «
Der Befehl an eine Truppe zum Abtransport mit der Bahn bedeutet
noch nicht ihr Eintreffen. Sie muß zu den Einladebahnhöfen marschieren,
hier sind Züge bereitzustellen Auf den einzelnen Strecken können die
Züge sich nur in zeitlich bestimmten Zwischenräumen folgen; dazu kommt
die Fahrtdauer. Es vergingen daher meistens zwei bis drei Tage und
mehr, ehe eine Division in etwa 30 Eisenbahnzügen ihr Ziel erreichte;
selten ließ es sich schneller einrichten.
Der erste Zug mit Verstärkungen konnte vor dem 21. früh nicht bei
Cambrai eintreffen; der 23. November mußte herankommen, bis hin-