Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

396 Die Schlacht in Flandern und der Zusammenbruch Rußlands 
  
führung, was veranlaßt werden konnte. So mußte ich denn auch hier dem 
Schicksal seinen Lauf lassen. 
Der englische Armeeführer nutzte seinen großen Anfangserfolg nicht 
aus, sonst wäre es uns nicht gelungen, die Einbruchsstelle örtlich zu be- 
grenzen; hätte er ihn ausgenutzt, wie würde dann das Urteil über den 
italienischen Feldzug lauten? So war der Krieg, den wir gegen die Welt zu 
führen hatten! Tatsächlich wurde am 22. nachmittags und am 23. der 
Stoß in der Linie Moeuvres—Bourlon—Fontaine—Noyelles—Masnières 
aufgefangen. Auch Truppen, die sich am ersten Tage von Tanks hatten 
überrennen lassen, schlugen sich gut, ebenso wie die frisch aus dem Osten 
eintreffende 107. Inf. Div. Ihrem Eingreifen ist die schnelle Beschränkung 
des feindlichen Einbruchs wesentlich zuzuschreiben. Die Absicht, wenn 
möglich dem englischen Angriff selbst in die Flanke zu gehen, stand sofort 
fest. In der Theorie ist solch ein Entschluß leicht zu fassen, in der Praxis 
war die Ausführung im Westen unendlich schwer. Das Versammeln 
und Bereitstellen der Truppen zum Angriff mit der Heranbeförde- 
rung der ungeheuren Munitionsmengen kostet Zeit. Die Verteidigung 
frißt zudem Kraft. 
Die englischen und französischen Armeen unternahmen an anderen 
Stellen nichts Großes. In der gestoßenen Einbuchtung lief sich der Angriff 
unter schweren Kämpfen tot, ohne daß von uns zu hoher Kräfteeinsatz ge- 
fordert wurde. Bis zum 29. November, abends hatte der Oberbefehls- 
haber der 2. Armee, General v. der Marwitz, genügende Kräfte für einen 
Gegenangriff zusammen. Der Schwerpunkt desselben sollte auf dem südlichen 
Teil des Schlachtfeldes in der Stoßrichtung Banteux—Gouzeaucourt 
liegen, während von Norden her ein Nebenangriff von westlich Bourlon 
nach Süden geführt wurde. Diesmal war der Engländer überrascht. 
Unser artilleristisch gut unterstützter Gegenangriff am 30. November hatte 
Erfolg, nicht ganz den, den ich erhoffte, aber es war doch endlich an 
der Westfront ein Sieg im Angriff! Das fürsorgliche Denken des Chefs des 
Generalstabes der 2. Armee, Oberstleutnants Stapff, und die Tatkraft 
des Oberbefehlshabers hatten sich bezahlt gemacht. Der Erfolg war um so 
bemerkenswerter, als er größtenteils von halb abgekämpften Truppen er- 
zielt wurde, die für den Angriff nicht besonders vorgebildet waren. Nur 
eine Erscheinung war ernst: Der Erfolg hatte deshalb nicht den Umfang 
bekommen, der möglich war, weil eine gute Division, statt den Kampf 
weiterzuführen, sich durch ein feindliches Proviantdepot aufhalten ließ. 
Der Engländer führte Reserven zum Gegenstoß heran und griff 
seinerseits an. Die Schlacht dauerte noch bis zum 5. Dezember. Wir ge- 
wannen in ihrem Verlauf das verlorengegangene Gelände im allgemeinen 
wieder, an einzelnen Stellen neues dazu. Wir hatten einen vollen Sieg
	        
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