Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Friedensfragen 413 
  
  
gien, sondern sagte über Elsaß-Lothringen und die Unversehrtheit des 
Reichsgebiets unter stürmischem Beifall des Reichstages: 
„So lange eine deutsche Faust eine Flinte halten kann, kann die Un— 
versehrtheit des Reichsgebiets, wie wir sie als glorreiches Erbe unserer 
Väter übernommen haben, nicht Gegenstand irgendwelcher Verhandlungen 
oder Zugeständnisse sein.“ 
England gegenüber waren wir damit keinen Schritt weiter gekommen. 
Von der Friedensaussicht war nicht mehr die Rede. Die Oberste 
Heeresleitung erhielt auch auf Anfragen von Staatssekretär v. Kühlmann 
keinen bestimmten Bescheid. Ich war enttäuscht und bedauerte, daß ich eine 
Zeitlang an eine solche geglaubt hatte. Nur aus diesem Grunde hatte ich 
den Reichskanzler gebeten, auf eine große Rede, die er Ende September 
halten wollte, zu verzichten, da es imir denkbar erschien, daß sie die 
Friedensmöglichkeit vermindern könne. Besser wäre es gewesen, der 
Reichskanzler hätte gesprochen. Ob er die Sammlung des Reichstages und 
des Volkes, die er beabsichtigte, erreicht haben würde, erscheint mir aller- 
dings bei seinem Verhältnis zu einzelnen politischen Parteien zweifelhaft. 
Er widersetzte sich deren Streben nach Macht und stand dem Reichstage 
selbst fremd gegenüber. 
Auch den Versuchen des Vertreters des Auswärtigen Amtes in Brüssel, 
Herrn v. der Lancken, die Verbindung mit französischen Staatsmännern 
aufzunehmen, sah ich mit Erwartung entgegen. Herr v. der Lancken fuhr 
zwar nach der Schweiz, aber der Herr aus Frankreich kam nicht. 
Zufällig hörte ich noch, daß Staatssekretär v. Kühlmann in Friedens- 
fragen mit dem spanischen Gesandten in Brüssel in Verbindung stand. 
Das waren die Friedensmöglichkeiten, von denen ich im Jahre 1917 
Kenntnis erhielt. Von dem sogenannten Angebot des Präsidenten Wilson, 
das Herr Jaffé aus München dem Auswärtigen Amt überbrachte, habe ich 
erst nach meinem Abgang aus der Zeitung erfahren. 
Im Zusammenhang mit jenen geheimnisvollen Friedensgerüchten fand 
am 11. September ein Kronrat in Berlin statt. Ich hielt es für 
meine Pflicht und es lag in meinem Amt, nochmals klar auszu- 
sprechen, was Deutschland auf Grund der Erfahrungen dieses Krieges für 
die Sicherstellung seiner Zukunft bedurfte, und legte mich bei dieser und 
anderen Gelegenheiten im Herbst 1917 in folgendem Zusammenhang fest: 
„Unsere Lage im Innern ist nach Angabe der Ressort-Vertreter in bezug 
auf Futter und Kohle schwierig. In bezug auf Kohle leider nicht unver- 
schuldet durch Versäumnisse in früheren Monaten. Unsere Finanzwirt- 
schaft ist ungeheuer angespannt. Durch die Reichstagsmehrheit ist unsere 
Lage im Innern zu einer wenig erfreulichen gemacht. Die Arbeiter= und 
damit auch die Ersatzfrage hat sich verschärft. Ich meine aber, diese inneren
	        
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