422 Die Schlacht in Flandern und der Zusammenbruch Rußlands
lösen hatte, kraftvolle Führung nach innen, Hebung unserer geistigen Kriegs-
fähigkeit und Erledigung des bereits an Dr. Michaelis gerichteten Antrages,
der sich auf Ersatzaufbringung bezog, ferner die Entfaltung der Propa-
ganda gegen den Feind.
Ich trat erneut mit dem Kriegsminister und dem Chef des Kriegs-
amtes, dem seit längerer Zeit General Scheüch vorstand, über die Not-
wendigkeit, dem Heere mehr zuzuführen, in Verbindung, fand aber auch bei
ihnen nicht den Entschluß zur Tat. Zweifellos standen beide Herren unter
dem Eindruck der verworrenen inneren Verhältnisse und fühlten sich durch
sie gehemmt, statt sie zu meistern.
Ich kam immer wieder auf das zurück, was mich bei meinen Anträgen
im Herbst 1916 bewegt hatte: wirklich alle Kräfte des deutschen Volkes für
den Sieg auszunutzen. Es hatte sich ganz offensichtlich erwiesen, daß das
Hilfsdienstgesetz nicht seinen Zweck erfüllte, sogar schädlich wirkte. Es stellte
zudem die Arbeitskraft des einzelnen nicht genügend in den Dienst des Vater-
landes und gab dem Heere Reklamierte nicht in dem Umfang zurück, wie
es nötig war. Die Frage der Annäherung der Arbeitgeber und Arbeit-
nehmer, deren Bedeutung namentlich auch für die Übergangswirtschaft und
die Ordnung im Lande für die Zeit nach dem Kriege so unermeßlich groß
war, hatte keine Fortschritte gemacht.
Auf Wunsch des Generals Scheüch empfingen der Generalfeldmarschall
und ich die Vertreter der freien Gewerkschaften, später auch die der christlichen
Gewerkschaften und der Angestelltenverbände. Wir haben diese Herren ernst
auf die Notwendigkeit hingewiesen, den Geist in der Heimat zu erhalten
und zu heben, es wäre sonst unbedingt sicher, daß auch der des
Heeres leiden müsse. Auf das Hilfsdienstgesetz selbst einzugehen, war nicht
unser Amt. Die Herren sagten uns ihre Unterstützung bei der Hebung des
Geistes zu und sprachen sich gegen die Streiks aus; sie fühlten zu meiner
Genugtuung ihre große Verantwortlichkeit. Sie teilten mir eine Reihe
von Einzelwünschen in bezug auf die heimischen Arbeiterverhältnisse mit,
die mich zwar nicht unmittelbar angingen, aber doch sehr beschäftigten. Sie
wurden an die zuständigen Reichsstellen mit der Bitte weitergegeben, die
Mißstände zu beseitigen. Ich hoffe, daß ich bei der Besprechung den Herren
den inneren Zusammenhang zwischen Heer und Heimat klargemacht habe,
und daß sie die hohe Bewertung, die ich den inneren Verhältnissen für unsere
Kriegführung beilegte, erkannten. Sie saßen als Gäste an unserem Mittags-
tisch und werden das Gefühl gewonnen haben, daß wir auch andersdenken-
den Männern mit Achtung begegneten und ein gemeinsames Arbeiten für
das Wohl des Vaterlandes erstrebten. Das müßige Gerede, daß nur die
„Schwerindustrie“ bei uns aus= und einginge, verstummte daraufhin etwas.
Uns beseelten auch ganz andere Anschauungen. Wir fühlten uns als Führer