Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

36 Tannenberg 
  
burg zu fahren. Diese Kriegsbesatzungen bestanden nur aus Landwehr- 
und Landsturmformationen. Es bildete sich so im südwestlichen Teil von 
Ostpreußen eine starke Armeegruppe. Mit ihr konnte angegriffen werden, 
während die nördliche Gruppe im weiteren Rückmarsch in südwestlicher Rich- 
tung verblieb oder scharf nach Süden zu einem Kampf gegen die Narew- 
Armee herangezogen wurde. Was zu geschehen hatte, konnte erst an Ort 
und Stelle angeordnet werden. Ohne neue Schlacht sollte der Russe nicht 
abkommen. Hierzu die Trennung der beiden feindlichen Armeen auszu- 
nutzen, lag allen Generalstabsoffizieren in Fleisch und Blut. 
Ich meldete mich auch bei Seiner Moajestät dem Kaiser. Seine Ma- 
jestät war in ruhiger Stimmung, sprach ernst über die Lage im Osten und 
bedauerte tief, daß ein Teil des deutschen Vaterlandes feindlichem Einfall 
ausgesetzt sei. Er gedachte der Leiden seiner Landeskinder. Der Kaiser 
übergab mir den für Lüttich verliehenen Orden Pour le mérite und sagte 
mir anerkennende Worte. Es wird dies eine stolze und wehmütige Er- 
innerung für mein Leben bleiben. 
Um 9 Uhr abends fuhr ich im Sonderzug von Coblenz nach dem Osten. 
Kurz vor meiner Abfahrt erhielt ich die Mitteilung, daß General 
v. Hindenburg den Oberbefehl angenommen habe und in Hannover 4 Uhr 
morgens in den Zug einsteigen würde. In Hannover war der General auf 
dem Bahnhof. Ich meldete mich bei ihm. Wir sahen uns dabei zum ersten- 
mal. Alles andere gehört in das Gebiet der Legendenbildung. 
Ich trug kurz die Lage vor, dann begaben wir uns zur Ruhe. 
Am 23. August, gegen 2 Uhr nachmittags, waren wir in Marienburg, 
wo das Oberkommando uns erwartete. Die Lage hatte sich geändert. Der 
Entschluß, hinter die Weichsel zu gehen, war aufgegeben. Es sollte zunächst 
die Passarge gehalten werden. General Grünert, Oberquartiermeister der 
8. Armee, und Oberstleutnant Hoffmann hatten dahin gewirkt. 
Unser Empfang in Marienburg war frostig. Mir war es wie eine 
andere Welt: Von Lüttich und dem schnellen Vormarsch im Westen in diese 
gedrückte Stimmung. Alles änderte sich schnell. Die Stimmung hob sich. 
Das Zusammenleben im Stabe wurde so, wie ich es früher beschrieb. 
II. 
Major Valdivia, der treffliche spanische Militärattaché während des 
Krieges, fragte mich im Oktober 1914 bei seinem ersten Besuch im Haupt- 
quartier in Posen, ob die Schlacht bei Tannenberg nach einem lange fest- 
stehenden Plan geschlagen worden sei. Ich mußte dies verneinen. Er 
war verwundert; viele, auch er, hatten es angenommen. 
Ein Aufmarsch kann und muß eine lange Zeit vorbereitet sein. Die
	        
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