Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

442 Die Vorbereitungen für den Angriff im Westen 1918 
  
nur, daß diese während der Besetzung der Gebiete stattfinden solle. Trotzki 
hielt daran fest, daß das Land von uns zunächst zu räumen wäre, und daß 
danach die Bevölkerung das Selbstbestimmungsrecht ausüben würde. 
Eine Räumung des Landes war militärisch ein Unding, wir brauchten 
es mit zum Leben und waren nicht gesonnen, es dem skrupellosen Bol- 
schewismus auszuliefern. Wir lehnten die Räumung aus diesem mili- 
tärischen Grunde ab, ganz abgesehen davon, daß die Ausübung des Selbst- 
bestimmungsrechts unter bolschewistischer Knute ein Unding war. Über 
beide Fragen werden sich jetzt die Ansichten geklärt haben. Die von der 
Obersten Heeresleitung vertretene Stellungnahme dürfte verstanden werden. 
Hätten wir das Land geräumt, so würden schon lange die russischen 
Bolschewisten als bewaffnete Macht in Deutschland stehen. Ihnen war es 
um die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts auch gar nicht zu tun, 
sie erstrebten allein weiteren Machtzuwachs. Sie waren Gewaltpolitiker, 
und nahmen an, daß das von uns geräumte Gebiet ihnen ohne weiteres 
zufallen würde. Auch waren sie so national, daß sie das Ausscheiden Kur- 
lands, Litauens und Polens — trotz allen Selbstbestimmungsrechts — als 
eine gegen Rußland feindliche Maßnahme ansahen. 
An der Ausübung des Selbstbestimmungsrechts in Polen auf Kosten 
Rußlands hatte allein Österreich-Ungarn Interesse wie keines. Die Doppel- 
monarchie wollte durch Polen an politischer und wirtschaftlicher Kraft ge- 
winnen. · 
Die Türken verlangten Batum und Kars; beide hatten sehr lange zum 
türkischen Reich gehört. Für uns waren die Wünsche von untergeordneter 
Bedeutung. Sie durchzusetzen, entsprach indes dem Bundesverhältnis. 
Unsere rein militärischen Forderungen waren so gering, daß sie über— 
haupt nicht in Betracht kamen. Die Demobilmachung war schon im besten 
Gange. Auslieferung von Waffen oder Schiffen hatten wir nicht verlangt. 
Estland und Livland wurden nicht von uns gefordert, auch wenn wir 
gern unsere deutschen Stammesangehörigen und die übrige Bevölkerung 
vom Bolschewismus befreit hätten. Dieses Verlangen ist bei Trotzki nicht 
gestellt worden, obschon es zur Erörterung stand und zur militärischen 
Notwendigkeit gegenüber dem Bolschewismus wurde. Der Frieden ist 
durch unsere Forderungen nicht verhindert worden, sondern allein durch 
die revolutionären Absichten der Bolschewisten und durch die Unentschlossen- 
heit unserer Unterhändler sowie die Haltung der Heimat und Österreich- 
Ungarns, die, weltfremd, das Wesen der russischen Revolution nicht durch- 
schauten. Als General Hoffmann einmal kraftvoller auftrat, um 
im militärischen Interesse die Verhandlungen und damit die pro- 
pagandistische Tätigkeit Trotzkis abzukürzen, ging ein Rauschen des Un- 
willens durch eine große Anzahl deutscher, österreichisch-ungarischer und
	        
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