Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Der Bolschewismus 445 
  
aller derjenigen Blätter, die ebenso wie die Ententepropaganda stets vom 
Verständigungsfrieden sprachen. Unter diesen Umständen hätte Trotzki 
ein Narr sein müssen, wenn er irgendwo nachgegeben hätte; dazu war er 
viel zu klug und tatkräftig. Sein Ton wurde immer herausfordernder, 
obschon keine reale Macht hinter ihm stand; er trat immer mehr als Ver— 
langender auf. Er drohte, die russischen Delegierten wegen mangelnder 
Aufrichtigkeit auf deutsch-österreichisch-ungarischer Seite abzuberufen, und 
hatte die Genugtuung, daß er gebeten wurde, von diesem Vorhaben, das 
ihm nie ernst sein konnte, abzulassen. Trotzki und die Entente freuten sich 
über das Hinziehen der Verhandlungen; ersterer benutzte jede Gelegenheit 
dazu, er beantragte die Verlegung der Verhandlungen von Brest in einen 
neutralen Ort. Er verkündete seine bolschewistischen Ideen durch seine 
Funksprüche der Welt und namentlich der deutschen Arbeiterschaft. Die 
Absicht des Bolschewismus, uns zu revolutionieren und Deutschland 
so zu Fall zu bringen, murde für jeden nicht vollständig Blinden 
immer klarer. 
Die Verhandlungen tamen nicht vom Fleck. Auf die Weise, wie bis- 
her in Brest verhandelt wurde, war überhaupt kein Friede, wohl aber ein 
weiteres Sinken unserer geistigen Kriegsfähigkeit zu erreichen. Ich saß in 
Kreuznach wie auf Kohlen und drängte General Hoffmann, die Verhand- 
lungen zu beschleunigen. Er sah die militärische Notwendigkeit vollkommen 
ein, war aber in seiner Stellung nicht imstande, bestimmend einzugreifen. 
Am 18. Januar fuhr Trotzki nach Petersburg, wo die Bolschewisten 
die Konstituante auseinandertrieben. Sie gaben damit der Welt kund, wie 
sie die Volksfreiheit auffaßten. Der Deutsche wollte aber nicht sehen und 
nicht lernen. 
Trotzki hatte die Absicht geäußert, nur sechs Tage wegzubleiben. Er 
kam aber erst am 30. zurück. 
Am 23. Januar erklärte der Generalfeldmarschall bei einer Besprechung 
in Berlin auf meine Bitte, daß wir im Östen Klarheit haben müßten. So- 
lange sie nicht vorhanden sei, hätten gute, für den Westen geeignete Divisio- 
neu dort zurückzubleiben. Verschleppten die Russen die Verhandlungen 
weiter, so solle man sie abbrechen und mit den Feindseligkeiten wieder be- 
ginnen. Die bolschewistische Regierung würde dadurch zu Fall kommen, 
jede andere Regierung aber müsse Frieden schließen. 
Noch andere Gründe ließen mich auf Abschluß drängen. Graf Czernin 
hatte Recht, wenn er ironisch von einem „geistigen Ringkampf“ sprach. 
Für ihn war allerdings in Brest, während der Krieg seiner größten Ent- 
scheidung zudrängte, weder der Ort noch die Zeit noch der geeignete Partner. 
Was mußten die Ententestaatsmänner über unser Friedensbedürfnis denken, 
wenn wir uns eine solche Behandlung von Trotzki und der von keinem
	        
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