Beratungen mit der Ukraine 445
Um mit Staatssekretär v. Kühlmann und Graf Czernin die Lage zu
erörtern, hatte ich mich gleichfalls Anfang Februar nach Berlin begeben.
Bei unserer Zusammenkunft am 4. und 5. erreichte ich von Staats-
sekretär v. Kühlmann die Zusage, den Bruch mit Trotzki 24 Stunden
nach Unterzeichnung des Friedens mit der Ukraine zu vollziehen. Aus all
dem, was ich zu hören bekam, bestätigte sich mir nur der Eindruck, daß das
bolschewistische Rußland überhaupt keinen Frieden wollte. Es hoffte auf
die Entente sowie die allmähliche Revolutionierung Deutschlands und
traute uns keine Tat zu. Die Ende Januar 1918 in Berlin in diesem Zu-
sammenhange gegen den Willen namhafter Arbeiterführer ausbrechenden
politischen Streiks werden diese Hoffnung gestärkt haben. So eng hing eben
schon damals ein Teil unserer Arbeiterbewegung mit dem Bolschewismus
zusammen. Die an ihrer Spitze stehenden Männer und die führende sozia-
listische Presse, die später den Bolschewismus bekämpften, hatten diese
Tatsache noch immer nicht erkannt. Damals galt es allerdings noch, den
gemeinsamen Feind, die alten Autoritäten, zu bekämpfen und damit, be-
wußt oder unbewußt, die Grundlagen des Vaterlandes zu erschüttern.
Als dann dies Ziel erreicht erschien und man selbst Autorität wurde, da
war das Feuer, das man entfacht hatte, zur lodernden Flamme geworden.
Da hieß es: „Ja, Bauer, das ist ganz etwas anderes.“
Bei der Besprechung in Berlin legte Graf Czernin die Gründe dar,
die ihn zu einem für die Doppelmonarchie zweifellos ungünstigen Frieden
mit der Ukraine veranlaßten, von dem er eine starke polnische Gegnerschaft
befürchtete. Er erbat aus diesem Grunde in gewissem Umfange Ge-
heimhaltung der politischen Abmachungen. Die Ernährungslage Österreichs
wäre so schlecht, daß es des Getreides aus der Ukraine bei dem immer ge-
ringer werdenden Zufluß aus Rumänien dringend bedürfe, sonst müsse es
verhungern. Der k. u. k. Verpflegungsgeneral, General Landwehr, ergänzte
dieses trübe Bild, was die Versorgung der Armee betraf. Er bat mich
schon jetzt um Aushilfe. Da Herr v. Waldow sie trotz unserer eigenen,
sehr ernsten Ernährungsverhältnisse in beschränktem Umfange noch für
möglich hielt, so konnte ich kein Bedenken dagegen äußern. Die Eindrücke,
die ich hier gewann, waren ungemein ernst und haben wahrscheinlich auch
auf die anderen Herren, die sich mit diesen Fragen befassen mußten, einen
tiefen Eindruck gemacht.
Eine weitere Angelegenheit, die erörtert wurde, war wieder einmal
die austro-polnische Lösung. Ich war diesmal mehr Zuhörer. Zu meiner
Genugtuung sprachen sich die Staatssekretäre v. Stein und Graf v. Rödern,
auch noch dieser oder jener Herr, aus wirtschaftlichen Gründen gegen eine
austro-polnische Lösung aus. Der Grenzstreifen spielte gar keine Rolle.
Der österreichisch-ungarische Botschafter, Fürst Hohenlohe, den ich im