Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

448 Die Vorbereitungen für den Angriff im Westen 1918 
anzunehmen, daß England nach Petersburg kommen und von dort 
aus gegen uns wirken würde. Wir hatten sein Festsetzen daselbst und am 
Finnischen Meerbusen zu verhindern und mußten beim Schlage gegen die 
bolschewistischen Truppen durch Livland und Estland bis Narwa vordrin- 
gen, um von hier aus stets rechtzeitig zufassen zu können. Auch in Finn- 
land, das sich in seiner Bedrängnis vor den Bolschewisten hilfesuchend an 
uns gewandt hatte, konnten wir einen Bundesgenossen gegen die Bolsche- 
wisten erhalten. Die Wirkung gegen Petersburg wurde verstärkt und 
eine solche gegen die Murmanbahn herbeigeführt. Ich stand schon längere 
Zeit in Verbindung mit einigen finnischen Herren. Ich nenne vor allem 
den ersten Gesandten des jungen finnischen Staats in Berlin, Herrn Hielt, 
der ihm mit warmem Herzen diente. Aus jungen Finnen, die ihr Vater- 
land glühend liebten, war gleich zu Beginn des Krieges ein Jäger- 
Bataillon gebildet worden, das bei Mitau Verwendung fand. Ob wir 
auch in Finnland zu einer militärischen Operation kommen würden, erschien 
damals noch zweifelhaft. Wir unterstützten es unmittelbar mit Waffen. 
Unsere Kriegs= und Verpflegungslage verlangte eine Kündigung des 
Waffenstillstandes, klare Verhältnisse und ein schnelles Handeln im Osten. 
Die neue militärische Kraftentfaltung war mir unerwünscht. Es war aber 
ein militärisches Unding, zuzusehen, wie der Feind sich von neuem kräftigte; 
also mußte gehandelt werden. Das forderte das eherne Gesetz des Krieges. 
Es war dann mit Sicherheit anzunehmen, daß wir Frieden bekommen 
würden. Ihn allein strebte ich auch an. 
In diesem Sinne machte ich meine Ausführungen dem Reichskanzler 
und dem Vizekanzler gegenüber und wies in ernsten Worten auf die un- 
geheure Schwere unserer im Westen zu lösenden Aufgabe hin. Ich gab dem 
Gedanken Ausdruck, daß von den bolschewistischen Führern ein ehrlicher 
Friede überhaupt nicht zu erlangen sei, sie würden nach wie vor zum min- 
desten an der Revolutionierung Deutschlands arbeiten. Diese Gefahr könn- 
ten wir gar nicht hoch genug einschätzen. Gegen den Bolschewismus ver- 
möchten wir uns nur durch eine enge Absperrung der Grenzen vorwärts 
derselben zu schützen. Die Verbreiterung der abzusperrenden Linie nach 
dem Bottnischen Meerbusen zu sei gewiß ein Nachteil; aber die Linie 
Dünaburg—Rigaischer Meerbusen verlange nicht viel weniger Truppen 
als die Linie Dünaburg—Peipus-See—Finnischer Meerbusen infolge der 
großen Seen. Jede Mittellinie würde erheblich mehr kosten. Es handele 
sich um keine uferlose militärische Operation, sondern um eine räumlich 
beschränkte Maßnahme. Ich betonte auch, daß es mir selbstverständlich eine 
Genugtuung sei, dem von den Bolschewisten heimgesuchten und uns um 
Hilfe anrufenden Livland und Estland, namentlich den deutschen Stammes- 
brüdern, zu helfen.
	        
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