Der Vormarsch der Türken in Armenien 499
Jordan, hart nördlich des Toten Meeres, angegriffen, mit dem deutlichen
Bestreben, die linke Flanke der dort stehenden türkischen Heeresgruppe zu
umfassen und sie von der Bahn nach Damaskus abzudrängen. Der An-
griff der englischen Truppen gewann zunächst Boden, er endigte dann aber
mit einer Niederlage. Sie wurden auf das westliche Jordanufer zurückge-
worfen. Leider hatte General v. Liman, der inzwischen den Befehl in
Palästina von General v. Falkenhayn übernommen hatte, nicht die Trup-
pen zum Nachstoß. Ende April wiederholte der Engländer seinen Angriff,
wieder mit dem gleichen Mißerfolg. Seine Weiterführung stand nach Ab-
lauf der jetzt beginnenden heißen Jahreszeit zu erwarten. Ich erhoffte
bis dahin eine Verstärkung der türkischen Truppen an der Palästinafront,
die von Enver zugesagt war. In Mesopotamien schoben sich englische
Truppen meiter gegen Mosul vor und setzten sich auch anstelle der ausein-
anderlaufenden russischen Truppen in Nordpersien fest.
In Armenien hatten die Türken Ende Februar den Vormarsch be-
gonnen. Sie hatten Ende März ihr Gebiet von den Russen gesäubert und
Ende April das ihnen in dem Brester Frieden zuerkannte Gebiet von Kars
und Batum besetzt. Hierbei gedachten sie nicht stehen zu bleiben, sondern
weiteren Einfluß im Kaukasusgebiet zu gewinnen. Zu diesem Zweck ent-
falteten sie unter der mohammedanischen Bevölkerung des Aserbeidshan-
gebietes eine rege Propaganda; auch Envers Bruder Nouri erschien dort,
um Neuformationen aufzustellen. Gleichzeitig trat die Türkei mit den sich
südlich des Kaukasus bildenden russischen Teilrepubliken Georgien, Aser-
beidshan und Armenien in Verhandlungen, denen auf Befehl der deutschen
Reichsleitung General v. Lossow aus Konstantinopel beiwohnte.
An und für sich konnte ich türkischen Maßnahmen zustimmen, die der
Kriegführung in ihrer Gesamtheit zugute kamen. Sie durften aber nicht
die Türkei von ihrer eigentlichen kriegerischen Aufgabe ablenken oder uns
die Rohstoffversorgung aus dem Kaukasus erschweren, von der wir eine
sehr wesentliche Erleichterung erwarteten. Die Aufgabe Envers war der
Kampf gegen England, und zwar zuerst an der Palästinafront. Hierauf
wies ich ihn in deutlichen Telegrammen immer wieder hin. Jetzt bot sich
auch Gelegenheit, die Engländer in Nordpersien zu treffen. Die Eisen-
bahnverbindung von Batum über Tiflis nach Täbris begünstigte dies. In
Nordpersien konnten die Türken den Engländern überlegen sein. Die Be-
völkerung Aserbeidshans gegen sie aufzubieten, wäre ein Verdienst ge-
wesen. Gern hätte ich alles unterstützt, was dies zuwege bringen konnte.
Enver und die türkische Regierung dachten aber weniger an den Krieg
gegen England, als an ihre panislamitischen Ziele im Kaukasus. Hiermit
verbanden sie sehr reale Zwecke, nämlich die gewinnbringende Ausnutzung
der dortigen Rohstoffe. Daß der deutschen Kriegswirtschaft damit nicht ge-
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