Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

  
508 Der Angriff im Westen 1918 
  
  
  
  
als fraglich gewesen, ob sich der Franzose zwischen Aisne und Oise noch 
weiter gehalten hätte. Hier war wieder ein Fall, wo in kurzen Augen- 
blicken vieles erreicht werden konnte, aber auch vieles unterlassen wurde. 
Die oberste Führung sitzt und sinnt und kann alles vorbereiten, die Aus- 
führung selbst liegt nicht mehr in ihrer Hand. Sie muß auf dem Schlacht- 
felde mit vollendeten Tatsachen vorlieb nehmen. 
Die 7. Armee stieß mit der Mitte in südlicher Richtung bis zur Marne 
vor. Ihr linker Flügel und der rechte der 1. Armee, der den Angriff nach 
Reims zu, wie beabsichtigt, links verlängert hatte, drangen zwischen Marne 
und Vesle gegen den Reimser Bergwald vor und trafen hier bald auf 
nicht mehr überwindbaren Widerstand. Der rechte Flügel der 7. Armee 
gewann zwischen Aisne und Marne südwestlich Soissons und bis zum Ost- 
rand des Waldes von Villers-Cotterbts Gelände und nahm Chäteau- 
Thierry. General Foch zog starke Reserven südwestlich Reims und gegen 
Soissons zu vergeblichen Gegenangriffen zusammen, die sich später bis 
Chäteau-Thierry ausdehnten. 
Wir stellten Anfang Juni unser Vorgehen ein. Nur zwischen der Aisne 
und dem Walde von Villers-Cotterêäts, südwestlich Soissons, beabsichtigte 
die Oberste Heeresleitung noch weiter anzugreifen. Wir wollten in Rück- 
sicht auf die östlich Soissons aus dem Aisne= in das Vesletal führende Bahn 
mehr Gelände nach Westen zu gewinnen und den Angriff der 18. Armee 
über die Linie Montdidier—Noyon taktisch unterstützen. 
Unsere Truppen blieben in Angriff und Verteidigung trotz einiger 
unvermeidlicher, vorübergehender Krisen Herren der Lage. Sie zeigten 
sich den Franzosen und Engländern auch da überlegen, wo diese mit Tanks 
arbeiteten. Bei Chäteau-Thierry hatten Amerikaner, die schon lange in 
Frankreich waren, tapfer aber nicht gut geführt, in dichten Massen unsere 
nur dünn besetzten Fronten erfolglos angegriffen. Auch hier blieb un- 
serm Mann das Gefühl, der Stärkere zu sein. Unsere Taktik hatte sich nach 
jeder Richtung hin bewährt, unsere Verluste waren gegenüber den feind- 
lichen und der hohen Gefangenenzahl überaus gering, wenn auch an und 
für sich schmerzlich. Das Einstellen des Angriffs war wiederum nicht über- 
all rechtzeitig erfolgt. Es wurde hier und da noch angegriffen, wo die 
Abwehr schon am Platze gewesen wäre. Die Truppen hatten bis auf 
wenige Ausnahmen überall eine gute Haltung und Ausdauer gezeigt. 
Im ganzen war der Eindruck ein sehr günstiger gewesen. Die 
Heeresgruppe Deutscher Kronprinz hatte im Angriff einen großen 
taktischen Sieg errungen. Der Feind war zu stärkerem Einsatz seiner 
Reserven gezwungen, als wir selbst an Truppen verbraucht hatten. 
Paris stand unter dem Eindruck der französischen Niederlage, und starke 
Massen wanderten ab. In der Kammersitzung Anfang Juni, auf die ich
	        
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