512 Der Angriff im Westen 1918
vermag ich nicht zu übersehen. Es fehlen mir die Grundlagen. Ich kann
daher auch nicht beurteilen, ob die Angabe richtig ist, der Angriff wäre auf
zu breiter Front geführt worden.
In höchstem Maße bedauerlich war die Art und Weise, wie der Miß-
erfolg an dem Piave in Österreich--Ungarn, namentlich im ungarischen
Reichstage, kurz darauf besprochen wurde. In Frankreich hatte man in
etwa gleicher Lage nach der Aisne-Champagneschlacht 1916 und jetzt in viel
schwierigeren Verhältnissen verstanden, eine große und würdige Haltung zu
bewahren. Aus Budapest erklangen unerfreuliche Töne, die die Stimmung
weiter drücken mußten. Kein Mensch richtete an den ungarischen Reichstag
die Frage, mit welcher Berechtigung er diese Kritik ausspräche. Hatte der
Reichstag denn wirklich alles getan, einen Sieg zu ermöglichen? War
das der Fall, dann durfte er kritisieren, dies jedoch öffentlich zu tun, blieb
selbst dann noch ein Fehler. Der Eindruck des Mißerfolges der k. u. k.
Armee in Italien wurde durch die Vorgänge in der Doppelmonarchie noch
verstärkt.
Der ergebnislose Angriff der k. u. k. Armee war für mich ein tief
schmerzliches Ereignis. Auf eine Entlastung der Westfront in Italien selbst
konnte ich nicht mehr hoffen. Die militärische Lage blieb indes im übrigen
dort so, wie sie vorher gewesen war. Die beiderseitigen Kräfte hielten
sich vorläufig die Wage. Eine weitere Verstärkung der Entente-
front in Frankreich durch Italiener war nicht zu befürchten. General
v. Arz zog eine Wiederholung des Angriffs für den Herbst in Betracht.
Ich schlug nunmehr dem verbündeten Armee-Oberkommando sofort
vor, alle verfügbaren Kräfte nach dem Westen abzugeben. General
v. Arz stimmte zu. Er hatte in dieser Frage wohl mit seinem kaiser-
lichen Herrn zu kämpfen, der solchen Entsendungen abhold war. Die Ver-
stärkung, die Österreich-Ungarn der Westfront brachte, belief sich nach
langem Drängen auf vier Divisionen. Im Juli kamen zunächst nur zwei.
Sie galten zwar als anerkannt gut, aber ihr Zustand, namentlich ihre
Munitionsversorgung, war kläglich. Sie brauchten mehrwöchige Ausbil-
dung, bis sie zum Einsatz im Stellungskrieg an der Westfront befähigt
waren. Ende August und Anfang September folgten die beiden nächsten.
Um Mitte September wollte General v. Arz nochmals zwei Diovisionen
heraufsenden, sie mußten aber nach Serbien fahren, da der Abfall Bul-
gariens Österreich-Ungarns und damit auch unsere Flanke der Entente
freizugeben drohte.
An der Westfront hatte das deutsche Heer demnach wie bisher ohne
wesentliche Hilfe den Kampf mit dem weiterzuführen, was die Oberste
Heeresleitung zusammenbrachte und was ihm die Heimat gab.
Auf den übrigen Teilen der verbündeten Fronten in Europa war es