516 Der Angriff im Westen 1918
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VII.
Der Angriff bei Reims hatte eine gesunde Grundlage. Wir traten
an ihn heran mit der festen Überzeugung, daß er gelingen müsse. Das
Heer hatte sich in den letzten Schlachten der Heeresgruppe Deutscher Kron-
prinz so gut geschlagen, wie bei seinem Milizcharakter nur erhofft werden
konnte. Die Truppen hatten sich, worauf es im wesentlichen ankam, dem
Feinde überlegen gezeigt, wenn sie ihrer Eigenart und ihrem inneren Ge-
halt entsprechend richtig verwendet wurden.
Über den Gedanken, ob es mit Rücksicht auf den Halt des Heeres und
unsere Ersatzverhältnisse vorteilhafter sei, zur Abwehr überzugehen, habe
ich mir in ernstem Nachdenken Rechenschaft abgelegt. Ich lehnte ihn ab.
Ganz abgesehen von der ungünstigen Einwirkung auf unsere Verbündeten
fürchtete ich, daß das Heer Abwehrkämpfe, die dem Feinde das Zusam-
menlegen seiner gewaltigen Kriegsmittel auf einzelnen Schlachtfeldern
eher gestatteten, schwerer vertragen würde als Angriffsschlachten. Diese
stellten weniger hohe Anforderungen an den Soldaten als jene und wurden
auch nicht verlustreicher. In dem Angriff lag das ungeheure moralische
Übergewicht, daß wir auf seine Fortsetzung nicht freiwillig verzichten konn-
ten. Alle Schwächen des Heeres mußten in der Verteidigung viel schärfer
zum Ausdruck kommen.
Jetzt mehrten sich die Nachrichten aus dem Heere über den ungünstigen
Einfluß der Stimmung in der Heimat auf die Front und auch aus der
Heimat über die schlechte Stimmung des Heeres. Die Armee klagte auch
über die feindliche Propaganda. Sie mußte wirken, da das Heer von
der Heimat aus dafür empfänglich gemacht war. So meldete die 4. Armee
folgenden Vorfall. Die feindliche Propaganda hatte sich der Broschüre des
Fürsten Lichnowsky bemächtigt, die in einer mir ganz unverständlichen
Weise die deutsche Regierung der Schuld am Ausbruch des Krieges zieh,
während Seine Majestät und der Reichskanzler immer wieder ausführten,
daß allein die Entente hierfür verantwortlich sei. Die Aussprüche des
Kaisers waren neben die entsprechenden Stellen der Broschüre gestellt und
Lügen gestraft. Zur Bestätigung des Eindruckes war noch die Ansicht einer
Zeitung der Unabhängigen sozialdemokratischen Partei beigedruckt, die den
gleichen Gedankengang wie Fürst Lichnowsky zum Schaden des Volkes
öffentlich aussprechen konnte. Es war kein Wunder, wenn der Mann im
Schützengraben an allem irre wurde, da Fürst Lichnowsky frei herum-
ging und solches Gerede unbestraft gedruckt wurde. Ich hatte schon den
Reichskanzler Dr. Michaelis gebeten, gegen den Fürsten Lichnowsky vor-
zugehen. Militärischerseits wurde der Hauptmann v. Beerfelde als Ver-
breiter der Schrift zur Verantwortung gezogen. Da aber der Verfasser unbe-