Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Ursachen für den Niedergang der geistigen Kriegführung 517 
  
helligt blieb, so konnte Hauptmann v. Beerfelde unmöglich bestraft werden. 
Ich wandte mich jetzt nochmals an den Reichskanzler und erklärte ihm, 
daß das Vorgehen gegen den Fürsten mit Rücksicht auf die Truppe, die 
für unsere gute Sache weiterzukämpfen und zu sterben bereit sein müsse, 
eine militärische Notwendigkeit sei. Seiner Majestät meldete ich das gleiche. 
Es geschah nichts. Fürst Lichnowsky teilt sich mit den Bolschewisten und vielen 
anderen in den traurigen Ruhm, die Mannszucht im Heere untergraben zu 
haben. In diesen Tagen sprach Clemenceau die Worte: „Wir werden den 
Sieg erringen, wenn die öffentlichen Gewalten auf der Höhe sind.“ In 
Frankreich waren sie auf der Höhe, wie war es bei uns? Ich habe hier 
einen Fall der feindlichen Propaganda gekennzeichnet, der nur aus diesem 
Grunde wirksam sein konnte, weil bei uns im Lande die öffentlichen Ge- 
walten die eisernen Notwendigkeiten dieses Krieges nicht verstanden hatten. 
Die Armee wurde buchstäblich mit feindlichen Propagandaschriften 
überschwemmt, deren überaus ernste Gefahr klar erkannt war. Die Oberste 
Heeresleitung setzte Prämien für ihre Abgabe aus; daß sie aber vorher das 
Herz unserer Soldaten vergifteten, war nicht zu verhindern. Die feindliche 
Propaganda konnte indes leider nur mit Hilfe der Regierung wirklich ent- 
scheidend bekämpft werden. Der vaterländische Unterricht allein genügte 
dazu nicht. 
Gewiß wirkte es niederdrückend, daß die beiden großen Angriffe, die 
hinter uns lagen, nicht die Entscheidung gebracht hatten. Wir waren aber 
doch erfolgreich gewesen, das sah der Mann. Enttäuschung war da, sie aus- 
zuschließen, blieb in diesem Weltkriege unmöglich; die Ursache des Nieder- 
ganges unserer geistigen Kriegsfähigkeit ist aber nicht in diesem Umstande 
begründet, sie liegt sehr erheblich weiter zurück. Die Enttäuschung wirkte 
nur doppelt schwer, da wir sie in unserer Geistesverfassung nicht über- 
winden konnten. Im übrigen war der Glaube an einen guten Ausgang 
des Krieges doch noch durchaus vorhanden. 
Eine erhebliche Verschlechterung der Psyche des Heeres trat dadurch 
ein, daß aus der russischen Kriegsgefangenschaft zurückgekehrte Soldaten 
nach längerem Urlaub wieder eingestellt wurden. Sie brachten teilweise 
schlechten Geist mit; zunächst weigerten sie sich überhaupt wieder hinaus- 
zugehen, sie glaubten nicht mehr kämpfen zu brauchen, wie die von Eng- 
land und Frankreich ausgetauschten Kriegsgefangenen. In Graudenz war 
es zu sehr ernsten Auftritten gekommen. 
In Beverloo wurde ein Komplott von einigen hundert Elsässern auf- 
gedeckt, nach Holland zu fliehen. Bei dem dauernden Heranziehen von 
Mannschaften aus dem Osten war ich gezwungen, die Elsaß-Lothringer 
wieder nach dem Westen zu schicken. Sie wurden hier ungern ausgenommen. 
Auch der Ersatz, der aus den Spezialwaffen freigemacht wurde, ließ
	        
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