Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Die neue Ententefront in Rußland 529 
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rung wegen der Olversorgung Großrußlands von größter Bedeutung. Es 
hatte bereits für sein Wirtschaftsleben die Kohle aus dem Donezbecken so- 
wie das Getreide der Ukraine, des Don= und Kubangebietes verloren. 
Vor Baku standen Türken. Sie hatten sich auch im nördlichen 
Persien festgesetzt, ohne indes dort scharf vorzudrücken. Englische Truppen 
befanden sich bei Enseli am Südufer des Kaspischen Meeres, von wo aus 
sie Verbindung nach dem Kubangebiet aufgenommen hatten. 
Im Zusammenhang mit den Verhältnissen in Finnland und der 
Ukraine bildete diese Lage den Hintergrund für unsere Ostpolitik. Sie be- 
wegte sich, von Ministerialdirektor Kriege geleitet, Großrußland gegenüber 
ganz im Fahrwasser der Bolschewisten. Zweifellos ist dadurch den Som- 
mer über die Bildung einer neuen militärischen Front verhindert worden. 
Das habe ich anerkannt. Im übrigen hielt ich eine solche Politik für kurz- 
sichtig, da sie schließlich zu einer Stärkung der gesamten bolschewistischen 
Bewegung führen mußte. Dies konnte uns nur verderblich sein und war 
nicht nur im militärischen, sondern noch vielmehr im rein politischen Inter- 
esse von der Reichsregierung zu verhindern. Dr. Helfferich hielt es auch für 
möglich. Die Lage der Regierung war schwierig, wennschon sie sich dies 
allein zuzuschreiben hatte. Sie hat mir versichert, daß sie mit ihrer Politik 
der Stimmung in Deutschland entspräche. Auch hier hinderte die Rücksicht 
auf die innerpolitischen Strömungen die Interessen der Kriegführung. 
Dies mußte ich leider glauben. Militärisch wären wir in der Lage ge- 
wesen, mit den Truppen, die wir im Osten hatten, einen kurzen Schlag auf 
Petersburg, mit Hilfe der Donkosaken auch einen in Richtung auf Moskau 
zu führen. Das wäre besser gewesen als die Abwehr auf langen Fronten. 
Sie verschlang mehr Kraft, als für eine kurze Vorwärtsbewegung nötig 
war, und entnervte die Truppe, während eine Operation ihre Moral er- 
halten haben würde. Wir konnten die uns innerlich so feindliche Sowjet- 
regierung beseitigen und andere Gewalten in Rußland fördern, die nicht 
gegen uns arbeiteten und bereit waren, mit uns zu gehen. Hierin hätte 
für die Kriegführung im großen ein bedeutender Erfolg gelegen. War in 
Rußland eine andere Regierung da, so konnte man sehen, wie man sich mit 
ihr über den Brester Frieden abfand; aber diesen jetzt gegenüber den Bol- 
schewisten aus der Hand zu geben, ohne auch nur zu ahnen, wie die Ver- 
hältnisse sich entwickelten, wäre eine ähnliche Politik auf Vorschuß gewesen, 
wie es die Ideen über einen Verständigungsfrieden waren, so lange der 
Feind sie nicht annahm. 
Die stille Arbeit des Bolschewismus wurde von der deutschen Regie- 
rung nicht erkannt, sie hielt ihn für ehrlich oder wollte ihn doch dafür 
halten. Sie ist mit ihm in weitere Verhandlungen über die Punkte ge- 
treten, deren Klärung der Brester Frieden offengelassen hatte. Unsere Re- 
Kriegserinnerungen 1914—18. 34
	        
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