Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Der Niedergang unserer Kampfkraft 553 
  
kaum zu erreichen, wir müßten demnach die Beendigung des Krieges auf 
diplomatischem Wege herbeiführen. Zur Zeit hielte die Westfront, bei der 
Unsicherheit, die in die Kampfführung durch das Versagen einiger Truppen 
gekommen sei, wäre unter Umständen aber ein Zurückverlegen der Front 
erforderlich. Ich hoffte jedoch zuversichtlich, daß sich das Heer in Frankreich 
hielte. Auf die Verbündeten würden die Verhältnisse an der Westfront 
den denkbar ungünstigsten Eindruck machen. In diesem Zusammenhang 
gewänne der Geist im Heer und Volk eine noch entscheidendere Be- 
deutung als bisher. Ich sprach besonders ernst darüber. Im einzelnen wies 
ich auf den Schaden hin, den Fürst Lichnowsky angerichtet habe. Ich be- 
tonte wiederum die Notwendigkeit, daß auch unsere Staatsmänner für das 
Ausland berechnete Reden zu halten und wir nun endlich eine Reichs- 
propaganda= und Aufklärungsstelle einzurichten hätten. über die Stim- 
mung in der Heimat ließ sich der Generalfeldmarschall nicht aus. 
In der Beurteilung der Kriegslage war er optimistischer als ich. Staats- 
sekretär v. Hintze zog aus dem, was er über sie gehört hatte, die 
sehr klare Schlußfolge, daß Friedensbesprechungen nötig wären und wir 
uns darauf einzurichten hätten, eine stark entgegenkommende Haltung 
zu zeigen. 
Der Reichskanzler äußerte sich nur kurz über die Stimmung in der 
Heimat, ohne etwas Bemerkenswertes zu sagen. Über den Fall des 
Fürsten Lichnowsky sprach er sehr zurückhaltend und wies auf das 
Reichsgericht hin. 
Am nächsten Vormittag war Besprechung unter dem Vorsitz Seiner 
Majestät. Es wurde als erstes die Stimmung im Innern behandelt. 
Der Reichskanzler sprach einige einleitende Worte. Ich machte die 
gleichen Ausführungen über die geistige Spannkraft wie am Tage 
vorher. Darauf erteilte Seine Majestät dem Staatssekretär v. Hintze 
das Wort. Dieser äußerte sich nicht zu den Verhältnissen in der Heimat, 
sondern erörterte sofort die militär-politische Lage, ähnlich wie ich sie am 
Tage vorher geschildert hatte, und zog auch denselben Schluß. Er war 
sichtlich ergriffen. Die Tränen traten ihm in die Augen. Der Kaiser war 
sehr ruhig, er pflichtete dem Staatssekretär v. Hintze bei und trug ihm auf, 
eine Friedensvermittlung möglichst durch die Königin der Niederlande 
einzuleiten. Er wies auch auf die Notwendigkeit der Aufklärung des Volkes 
und einer einheitlichen und geschlossenen Führung der Regierungsgeschäfte 
hin. Der Reichskanzler sprach sich für Aufrechterhalten der Autorität 
im Innern aus. Diplomatisch müßten Fäden im geeigneten Moment an- 
gesponnen werden. Die Sitzung wurde darauf geschlossen. Ich gab dem 
Staatssekretär v. Hintze in tiefer Bewegung die Hand. 
In diesen Tagen war Kaiser Karl mit Graf Burian und dem
	        
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