Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Der Vormarsch gegen die Armee Rennenkampf 49 
  
  
  
  
wärts. Sie hatten bei Kruglauken und Possessern schwer zu kämpfen. Das 
I. A. K., das über Nikolaiken und Johannisburg angesetzt war, mußte öst— 
lich der Seenlinie in sehr scharf nördlicher Richtung vorgezogen werden. Es 
machte am 9. abends dem XVII. A. K. Luft. Die 3. Res. Div., der auch 
noch die Ldw. Div. v. der Goltz nachgezogen war, blieb im Vormarsch Rich- 
tung Bialla—Lyck. Sie stießen bereits am 8. September bei Bialla auf 
stark überlegenen Feind. 
Auch diese Operation war von unerhörter Kühnheit. Die Njemen- 
Armee war mit ihren 24 Infanterie-Divisionen der 8. Armee mit ihren 
15 bis 16 schon an und für sich stark überlegen. Die russischen Divisionen 
zählten zudem 16, die unsrigen damals noch 12 Bataillone. Zu den russi- 
schen Streitkräften kamen noch vier bis sechs Divisionen, die um Ossowjetz 
und Augustow in Versammlung waren. Jeden Augenblick und an jeder 
beliebigen Stelle konnten diese Kräfte zu einem Schlage mit gewaltiger 
Überlegenheit gegen uns zusammengezogen werden. Namentlich war 
unser rechter Flügel östlich der Seen gefährdet. Er konnte erdrückt werden. 
Wir haben keinen Augenblick gezaudert, auch in dieser Lage die Schlacht 
zu wagen. Unsere überlegene Ausbildung war für uns. Tannenberg hatte 
uns ein großes Übergewicht gebracht. 
Das Oberkommando hätte den rechten Flügel gern stärker gesehen; 
dazu war eine Division des XX. A. K. zu unserer Verfügung westlich 
der Seen bereitgehalten. Aber sie mußte dem Generalkommando wieder 
zurückgegeben werden. Die Ausdehnung der vier Armeekorps, die die 
feindliche Front angriffen, war mit etwa 50 km doch sehr groß. Es kam 
hinzu, daß das Generalkommando des Garde-R. K. einen russischen Vor- 
stoß gegen sich befürchtete und sich daher enger zusammenzog. Der Nord- 
flügel mußte am Pregel festhalten, sonst konnte die 8. Armee dort um- 
gangen werden. Der Umfassungsflügel durfte nicht stärker ausfallen, als er 
ursprünglich bemessen war. Wir hatten abzuwarten, wie gut oder schlecht 
unser Angriff durchdringen würde. Die Waffen mußten eben auch hier ent- 
scheiden. Wir mußten nur alles tun, um den erstrebten Erfolg zu 
sichern. 
Am 10. September früh kam die entscheidende Nachricht, daß der 
Feind in der Nacht vor dem I. R. K. nördlich Gerdauen — wohl infolge 
der fortschreitenden Kämpfe des I. und XVII. A. K. am 9. abends seine 
Stellung geräumt habe. Das Korps sei in sie eingedrungen und beabsich- 
tige, weiterzumarschieren. Man kann sich die Freude im Hauptquartier 
denken. Ein großer Erfolg war wiederum errungen, aber noch keine Ent- 
scheidung. Die russische Armee war noch keineswegs geschlagen. Nordöst- 
lich Lötzen hatten wir nur örtliche Erfolge. Es kam darauf an, mit aller 
Energie frontal zu folgen und in den zurückweichenden Feind hineinzu- 
Kriegserinnerungen 1914—18. 4
	        
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