Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Ersatzschwierigkeiten 565 
  
Österreich-Ungarn konnte noch die eine oder die andere Division für 
die Westfront abgeben. 
Das alles war kein zahlenmäßiger, geschweige denn seelischer Kraft- 
ausgleich im Westen gegenüber der wachsenden Stärke und steigenden 
Siegeszuversicht des Feindes. Es war ganz klar, daß im deutschen Heere 
die betrübenden Erscheinungen nicht abnehmen, sondern sich bei den 
dauernden Rückzügen und unter dem zersetzenden Einfluß der Heimat 
noch steigern würden. 
Es wurde der Obersten Heeresleitung sehr schwer, den Heeresgruppen 
Kronprinz Rupprecht und v. Boehn neue Kräfte zuzuführen. Ich würde es 
leichter gehabt haben, wenn die Oberste Heeresleitung schon Ende Juli 
von der 7. Armee und nun von den Kampfarmeen, namentlich von der 2., 
abgekämpfte oder zerschlagene Divisionen rücksichtsloser aus der Front ge- 
führt hätte. 
Bei dem Ernst unserer Lage versprach sich die Oberste Heeresleitung 
von einem Bombenabwurf auf London und Paris nicht mehr die 
Wirkung, den Feind friedenswillig zu machen. Sie gab deshalb nicht 
mehr die Erlaubnis, eine besonders wirkungsvolle Brandbombe, die im 
August in erforderlichen Mengen fertig und für den Abwurf auf die 
beiden Hauptstädte bestimmt war, zu gebrauchen. Die zu erwartenden 
großen Zerstörungen hätten auf den Gesamtverlauf des Krieges keinen 
Einfluß mehr gehabt; Zerstörungen als Selbstzweck wurden nie geduldet. 
Auch Graf Hertling hatte die Oberste Heeresleitung gebeten, diese neuen 
Brandbomben im Hinblick auf die gegen unsere Städte zu erwartenden 
feindlichen Gegenmaßregeln nicht zu gebrauchen. Maßgebend für jenen 
Entschluß blieben jedoch meine auf der Kriegslage beruhenden Er- 
wägungen. 
Den Abwurf anderer Bomben auf London und Paris behielt ich noch 
bei, damit die feindlichen Abwehrmittel fern der Front gefesselt blieben und 
nicht die Truppe die Abnahme unserer Kraft merkte. Ich drängte aber 
nicht mehr. Paris wurde noch wenige Male schwach beworfen. London 
war wegen der Witterung in dieser Zeit nicht erreichbar. 
Geist und Stimmung im Heer und in der Heimat beschäftigten mich 
dauernd in höchstem Maße. Als uns der Kriegsminister im August in 
Avesnes besuchte, hatte ich ihm Offiziere aus der Front zugeführt, die 
ihn endlich von dem schlechten Einfluß der Heimat auf die Mannszucht 
überzeugen sollten. Er wie auch die anderen führenden Männer des 
Kriegsministeriums sträubten sich stets gegen diese Erkenntnis, jedenfalls 
gegen die volle Bedeutung dieser Tatsache. Auch dieser Besuch fruchtete 
nichts, trotz meiner dringenden Einsprache auf den Minister. 
Im Innern kamen unsere Versuche, Propaganda zu treiben und unser
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.