Ausdehnung der feindlichen Angriffe 573
eine preußische Division durchbrochen. Die Reserven waren nicht nahe
genug heran, um den Schaden sofort auszugleichen. Auf der Combres—
höhe stand eine k. u. k. Division, die sich auch besser hätte schlagen müssen.
Das örtliche Armee-Oberkommando befahl bereits mittags die Räumung
des Bogens. Ich war unzufrieden mit mir, aber auch mit den örtlichen
Kommandostellen. Zunächst bekam ich Meldungen, daß die weitere Räu-
mung gut verliefe. Das war möglich, da der Feind nicht nachstieß. Auf
dieser Grundlage gab ich meinen Heeresbericht, der, wie es sich nachher
herausstellte, zu günstig war.
Meinen Heeresberichten ist Unaufrichtigkeit vorgeworfen worden. Sie
sind einwandfrei wahr gewesen und wurden so abgefaßt, wie es unser
Gewissen gegenüber dem Heer, dem Volk daheim und unseren Verbündeten
gebot. Die Abendmeldungen gaben nur in kurzen Worten die Tages-
ereignisse wieder. Die Mittagsberichte gründeten sich auf den Meldungen,
die bei der Obersten Heeresleitung bis zur Zeit meiner Unterschrift — in
der Regel 10 Uhr 30 vormittags — vorlagen. Ich schrieb sie vornehmlich
für das Heer. Der Soldat hatte das Recht, das, was er geleistet und er-
duldet hatte, erwähnt zu wissen. Der Truppenteil, der Offizier oder Mann,
der im Heeresbericht genannt wurde, war stolz darauf: Es war doch etwas
Erhebendes, den eigenen Ruhm der Welt verkündet zu sehen. Ein für die
Kriegführung nicht unwesentlicher Ansporn, ein wichtiges psychologisches,
die Leistung förderndes Moment lag darin. Auch die Heimat war mit
Recht stolz auf die öffentliche Anerkennung ihrer Söhne. Jedes Wort des
Heeresberichts war sorgsam abgewogen. Große Ereignisse wurden aus-
führlich gewürdigt; von kleineren Gefechtshandlungen konnten nur die
wichtigsten Erwähnung finden. Die in ruhigen Zeiten häufige Meldung:
„Nichts Besonderes“ oder „Keine wesentlichen Ereignisse“ sagte dem Kun-
digen, daß an jeder Stelle der ausgedehnten Fronten wiederum durch
Nacht und Tag deutsche Männer in treuester Hingabe ihre schwere Pflicht
gegen das Vaterland erfüllt hatten. Gewiß hätte ich in Zeiten der Span-
nung lieber in lapidarem Stil als ausführlich gemeldet; dazu gehörten
Ereignisse, die auf diese Sprache zugeschnitten waren. Eine Meldung aus
der Flandernschlacht: „Langemarck ist gehalten oder verloren“, hätte
niemand befriedigt.
Verluste an Gelände wurden, wenn sie von Einfluß auf die Ge-
staltung der Kampflage waren, erwähnt, allerdings erst dann, wenn für
die kämpfenden Truppen kein Nachteil daraus erwachsen konnte. Daß ich
die Zahl der Geschütze und Gefangenen, die uns der Feind abgenommen
hatte, mitteilen sollte, konnte kein Mensch erwarten, doch auch der leider
so objektiv denkende Deutsche nichtl Wir waren nicht das starke Volk,
von dem mir gerade in jenen Tagen so oft gesprochen wurde! Das