Die Schlacht an den Masurischen Seen 51
Der Befehl an den Umfassungsflügel war aber schon gegeben. Später
wurden die Korps wieder zurückgelenkt, jedoch war mindestens ein halber
Tag verloren gegangen.
Die Leistungen der 8. Armee waren hervorragend. Der ganze Vor-
marsch, der in vier Tagen weit über 100 km gewann, war ein glänzender
Siegeszug dieser durch lange Kämpfe und Anstrengungen aller Art hart
mitgenommenen Truppen. Das galt besonders von den alten Verbänden
der 8. Armee; das Garde-R. K. und XI. A. K. hatten im Westen bei
Namur tapfer gekämpft, aber doch bisher leichtere Tage gehabt.
Das Ergebnis der Schlacht war nicht so in die Augen springend wie
bei Tannenberg. Es fehlte die Einwirkung gegen den feindlichen Rücken;
sie war nicht möglich. Der Feind blieb nicht stehen, sondern zog ab; so
kam es nur zu einem frontalen und flankierenden Nachdrängen. Während
wir bei Tannenberg über 90 000 Gefangene gemacht hatten, zählten wir
jetzt 45 000. Aber was unter den gegebenen Verhältnissen erreicht werden
konnte, wurde erzielt. «
Tatsächlich scheint Rennenkampf an einen ernstlichen Widerstand über-
haupt nicht gedacht zu haben. Er hat jedenfalls sehr frühzeitig seinen Rück-
marsch begonnen und ist nachts marschiert. Unsere Flieger hatten wohl be-
gangene Kolonnenwege erkannt, aber die Meldungen hatten zu unbestimmt
gelautet. Der Russe verstand, Rückzüge anzuordnen und Massen durch
das Gelände außerhalb der Straßen zu bewegen. «
Unsere rastlosen Bewegungen, verbunden mit der Umfassung, trieben
die zurückgehende russische Armee so scharf vor uns her, daß sie in auf—
gelöstem Zustande über den Njemen kam. Sie brauchte für die nächsten
Wochen nicht mehr als vollwertiges Kampfwerkzeug angesehen zu werden,
sofern ihr der Russe nicht neue Truppen zuführte. «
Die Schlacht an den Masurischen Seen hat nicht die Anerkennung ge—
funden, die sie verdient. Es war ein groß angelegter und planmäßig
durchgeführter Entscheidungskampf gegen eine außerordentliche überlegen-
heit; er war mit schweren Gefahren verbunden, der Feind sich aber seiner
Stärke nicht bewußt: Er nahm nicht einmal den Endkampf an, sondern
entzog sich ihm durch übereilten Rückzug, der unter unserem Druck den
Charakter der Flucht annahm.
Abseits von dem großen Schlachtfelde hatten die 3. Res. Div. unter
ihrem energischen Führer General v. Morgen und die Ldw. Div. v. der
Goltz am 8. September bei Bialla sehr erfolgreich gegen starke feindliche
überlegenheiten gekämpft und die eintreffenden Verstärkungen geschlagen.
Sie hatten damit eine schwere Gefahr für die weiter nördlich kämpfende
Armee beseitigt. Gegen Ossowjetz blieb General v. der Goltz stehen. Ge-
neral v. Morgen nahm in heftigen Kämpfen Augustow und Suwalki. Die
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