Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Die Schlacht an den Masurischen Seen 51 
  
Der Befehl an den Umfassungsflügel war aber schon gegeben. Später 
wurden die Korps wieder zurückgelenkt, jedoch war mindestens ein halber 
Tag verloren gegangen. 
Die Leistungen der 8. Armee waren hervorragend. Der ganze Vor- 
marsch, der in vier Tagen weit über 100 km gewann, war ein glänzender 
Siegeszug dieser durch lange Kämpfe und Anstrengungen aller Art hart 
mitgenommenen Truppen. Das galt besonders von den alten Verbänden 
der 8. Armee; das Garde-R. K. und XI. A. K. hatten im Westen bei 
Namur tapfer gekämpft, aber doch bisher leichtere Tage gehabt. 
Das Ergebnis der Schlacht war nicht so in die Augen springend wie 
bei Tannenberg. Es fehlte die Einwirkung gegen den feindlichen Rücken; 
sie war nicht möglich. Der Feind blieb nicht stehen, sondern zog ab; so 
kam es nur zu einem frontalen und flankierenden Nachdrängen. Während 
wir bei Tannenberg über 90 000 Gefangene gemacht hatten, zählten wir 
jetzt 45 000. Aber was unter den gegebenen Verhältnissen erreicht werden 
konnte, wurde erzielt. « 
Tatsächlich scheint Rennenkampf an einen ernstlichen Widerstand über- 
haupt nicht gedacht zu haben. Er hat jedenfalls sehr frühzeitig seinen Rück- 
marsch begonnen und ist nachts marschiert. Unsere Flieger hatten wohl be- 
gangene Kolonnenwege erkannt, aber die Meldungen hatten zu unbestimmt 
gelautet. Der Russe verstand, Rückzüge anzuordnen und Massen durch 
das Gelände außerhalb der Straßen zu bewegen. « 
Unsere rastlosen Bewegungen, verbunden mit der Umfassung, trieben 
die zurückgehende russische Armee so scharf vor uns her, daß sie in auf— 
gelöstem Zustande über den Njemen kam. Sie brauchte für die nächsten 
Wochen nicht mehr als vollwertiges Kampfwerkzeug angesehen zu werden, 
sofern ihr der Russe nicht neue Truppen zuführte. « 
Die Schlacht an den Masurischen Seen hat nicht die Anerkennung ge— 
funden, die sie verdient. Es war ein groß angelegter und planmäßig 
durchgeführter Entscheidungskampf gegen eine außerordentliche überlegen- 
heit; er war mit schweren Gefahren verbunden, der Feind sich aber seiner 
Stärke nicht bewußt: Er nahm nicht einmal den Endkampf an, sondern 
entzog sich ihm durch übereilten Rückzug, der unter unserem Druck den 
Charakter der Flucht annahm. 
Abseits von dem großen Schlachtfelde hatten die 3. Res. Div. unter 
ihrem energischen Führer General v. Morgen und die Ldw. Div. v. der 
Goltz am 8. September bei Bialla sehr erfolgreich gegen starke feindliche 
überlegenheiten gekämpft und die eintreffenden Verstärkungen geschlagen. 
Sie hatten damit eine schwere Gefahr für die weiter nördlich kämpfende 
Armee beseitigt. Gegen Ossowjetz blieb General v. der Goltz stehen. Ge- 
neral v. Morgen nahm in heftigen Kämpfen Augustow und Suwalki. Die 
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