Vortrag des Majors Frhrn. v. dem Bussche 587
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ich angeregt hatte, um die geistige Kriegsfähigkeit des deutschen Volkes zu
heben, waren für die Kriegführung unendlich wichtige Fragen, für deren
Lösung der Reichskanzler dem ganzen Volk gegenüber verantwortlich war.
Alles hing hier auf das engste zusammen: War die Stimmung fest, dann
wurden auch Drückeberger und Deserteure an der Front festgehalten; die
Reklamierten in der Heimat wurden williger freigemacht; der Ersatz-
mangel trat weniger in Erscheinung; die seelischen Eindrücke des Kampfes
wurden besser überwunden. Die Reichskanzler sind mit diesen Gedanken
nicht an die Vertretung des deutschen Volkes, den Reichstag, herangetreten,
obschon die Oberste Heeresleitung sie ausdrücklich darum gebeten hatte.
Alles das muß dem Reichstag tatsächlich vorenthalten worden sein, wie
meine Anschauung über die Kriegs= und Friedenslage seit dem 8. August.
Anders ist die verkehrte Auffassung der Lage in Berlin nicht zu verstehen.
Ich war von der Wirkung des Vortrages des Moajors Frhrn. v. dem
Bussche so überrascht, daß ich ihn nach seiner Rückkehr nochmals befragte,
ob er anderes gesagt habe, als wir besprochen hatten. Er gab mir die
Niederschrift seiner Außerungen, an die er sich wörtlich gehalten hatte.
Diese Aufzeichnung liegt beim Schreiben dieser Zeilen vor mir. Ob die Art
des Vortrages des Majors Frhrn. v. dem Bussche, der stets ernste Eindruck
seiner Persönlichkeit die Wirkung seiner Worte auf die Zuhörer vertieft
hat, weiß ich nicht, es wäre menschlich erklärlich. Auch Major Frhr. v. dem
Bussche merkte den Abgeordneten die starke Nervenerschütterung an.
Seine würdig-ernsten Worte am Schluß über das, was uns not tue,
verhallten. Ich glaube, sie wurden bei der starken Erregung überhaupt
nicht richtig verstanden. Unentschuldbar ist es, daß das, was Major Frhr.
v. dem Bussche gesagt hat, sofort in die Öffentlichkeit kam, und zwar in
einer Weise, die uns aufs schwerste schaden mußte. Klarer konnte unsere
Schwäche dem Feinde gar nicht mitgeteilt werden, als es jetzt geschah.
Es war in hohem Grade bedenklich, daß der Major seitens der bis-
herigen Regierung nicht darauf aufmerksam gemacht wurde, unter seinen
Zuhörern befinde sich ein Pole. Die Regierung mußte wissen, daß dieser alles,
was er hörte, sofort im Inlande und nach dem Auslande verbreiten würde.
In der Auffassung, daß die Regierung bis zum 1. Oktober gebildet
werden könne, und durchdrungen von der Pflicht, die ich gegenüber der
Armee fühlte, hatte ich in Spaa am 30. September und 1. Oktober noch
Besprechungen mit Vertretern des Reichskanzlers und des Auswärtigen
Amtes, ebenso wies ich Major Frhrn. v. dem Bussche in übereinstimmung
mit dem Generalfeldmarschall an, dringend auf Absendung der Note am
1. Oktober, spätestens am 2. Oktober mittags, hinzuwirken.
Mich bewegte vornehmlich der Gedanke, Menschenleben zu erhalten,
und die Überlegung, daß je früher begonnen würde, um so günstiger würde
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