598 Der Endkampf Sommer und Herbst 1918
seits der Argonnen in Richtung Charleville—Sedan zu durchbrechen. Der
ähnliche Grundgedanke hatte allen Angriffsoperationen der Entente seit
Herbst 1915 zugrunde gelegen. Bisher waren sie an der Ermattung des
Feindes und unserer Widerstandskraft gescheitert. Jetzt waren wir ge-
schwächt, und immer wieder versagte diese oder jene Division. Die Zahl der
Drückeberger hinter der Front vermehrte sich erschreckend. Die Auskunfts-
stellen, die einzelne Mannschaften zurechtweisen sollten, bewältigten ihre
Aufgaben nicht mehr. Die, die sich vorn schlugen, waren Helden.
Sie waren für den weiten Raum nur zu wenig zahlreich. Sie fühlten sich
vereinsamt. Auf den Offizier richteten sich die Augen des Mannes, auf ihm
lastete die Schwere des Kampfes. Er tat mit seinen Getreuen Wunder an
Tapferkeit. Regiments-, Brigade= und auch Divisionskommandeure mit
Offizieren und wenigen Soldaten, häufig mit ihren Schreibern und Bur-
schen, stellten persönlich die Lage wieder her. Sie verwehrten stark über-
legenen, aber auch nicht mehr kampfbegeisterten Feinden den Einbruch.
Wir können stolz sein auf jene Männer, die Heldentaten vollbrachten.
Unser Kräfteverbrauch aber war groß. Das Beste blieb so auf blutiger
Wahlstatt. Ein Teil unserer Bataillone konnte nur noch zwei Kompagnien
bilden. Die Oberste Heeresleitung sperrte den Urlaub. Infolge der schwie-
rigen Transportlage mußten die in der Heimat befindlichen Urlauber zu-
nächst dort bleiben. Sie verweilten hier länger, als gut war. In den
kritischen Novembertagen hätten aber nur wenige Urlauber in Deutschland
sein dürfen. Leider war dem nicht so.
Die Zeiten, die den Divisionen zur Ruhe und zur Instandsetzung ihres
Geräts und der Bekleidung gelassen werden konnten, wurden immer kürzer.
Die guten Truppen wurden mehr beansprucht als die nicht zuverlässigen.
Auch das hatte schädliche Folgen. Sie vermochten nicht einzusehen,
weshalb sie so oft Lücken schließen mußten. Ihr Kampfwille ließ nach.
Die Anstrengungen wurden immer gewaltiger, die Kräfte verbrauchten sich.
Es war ungemein schwer, einen Ausgleich zu bewirken und an geschwächten
Stellen auszuhelfen. Die Fälle nahmen zu, in denen Diovisionen zweiter
Linie beschleunigt eingesetzt werden mußten und Verbände vollständig
durcheinander kamen.
Die Anforderungen an die Nerven der Führer an der Front stiegen
fortgesetzt, sie hatten schwer zu tragen, behielten aber doch den klaren Blick
für des Vaterlandes Not und stolzen Mut. Ihn hat nichts brechen
können.
Unter Festhalten ihres rechten Flügels an der Mer unterhalb Diks-
muide und des linken Flügels bei Armentières wurde die 4. Armee Anfang
Oktober unter steten Kämpfen auf Roulers und Menin zurückgedrängt.
Es kam zu einer Reihe örtlicher Gefechte, die ergebnislos verliefen. Am