Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

616 Der Endkampf Sommer und Herbst 1918 
  
mitgeteilt worden. Inzwischen hatte aber die Entstellung der Tatsachen 
ihren Zweck erfüllt; ich war entlassen. 
Die Unterredung am 25. im Reichsamt des Innern endigte nach 
1½ bis 2 Stunden. Im Flur erwarteten mich General v. Winterfeldt und 
Oberst v. Haeften. Ich konnte ihnen nur in tief innerer Erregung sagen: 
„Es ist nichts mehr zu erhoffen, Deutschland ist verloren!“ Auch diese 
Herren waren erschüttert. 
In der deutschen Note vom 27. Oktober bekannten wir uns zur 
Kapitulation. 
Am 26. früh 8 Uhr schrieb ich noch in der Seelenstimmung des vor- 
angegangenen Abends mein Abschiedsgesuch. Ich ging darin von der An- 
schauung aus, in der gestrigen Besprechung mit Vizekanzler v. Payer habe 
ich die überzeugung gewonnen, daß die Regierung sich zu keiner Tat mehr 
aufraffen würde. Seine Moajestät, das Vaterland und die Armee kämen 
dadurch in eine unhaltbare Lage. Ich gelte als Kriegsverlängerer, für die 
Stellung der Regierung Herrn Wilson gegenüber wäre mein Abgang nun- 
mehr vielleicht eine Erleichterung für Deutschland. Darum bäte ich Seine 
Majestät, mich in Gnaden zu entlassen. 
Der Generalfeldmarschall kam am 26. 9 Uhr früh wie gewöhnlich zu 
mir. Ich hatte mein Gesuch beiseite geschoben, da ich entschlossen war, ihm 
meinen Schritt erst zu melden, wenn das Gesuch Seiner Majestät vorläge. 
Der Generalfeldmarschall war Herr seiner Entschließung; ich wollte ihn 
nicht beeinflussen. Er sah aber das Schreiben. Die Form erregte seine Auf- 
merksamkeit. Er bat mich, es nicht abzuschicken. Ich solle bleiben. Ich dürfe 
den Kaiser und das Heer jetzt nicht verlassen. Ich willigte nach längerem 
inneren Kampf ein. Ich gewann die Überzeugung, ich müsse meine Stel- 
lung behalten, und schlug dem Generalfeldmarschall vor, nochmals den Ver- 
such zu machen, den Prinzen Max zu sprechen. Dieser nahm uns nicht an. 
Er war noch krank. Während ich auf diesen Bescheid wartete, meldete mir 
Oberst v. Haeften, die Regierung hätte bei Seiner Majestät meine Verab- 
schiedung erwirkt, als äußerer Anlaß würde der vorher erwähnte Armee- 
befehl vorgeschützt werden. Seine Majestät würde mich gleich in das Schloß 
Bellevue befehlen. Ich war über nichts mehr erstaunt und gab mich für 
meine Person keinem Zweifel hin. Bereits während des Gesprächs mit 
Oberst v. Haeften wurden wir plötzlich zu ungewohnter Stunde zu Seiner 
Mojestät befohlen. 
Auf der Fahrt vom Generalstabsgebäude nach dem Schlosse Bellevue 
sagte ich dem Generalfeldmarschall das eben Gehörte. Später erfuhr ich, 
daß Prinz Max bei Seiner Mojestät für den Fall meines Verbleibens die 
Kabinettsfrage gestellt haben soll. 
Der Kaiser war im Vergleich zum Vortage wie umgewandelt, er
	        
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