56 Tannenberg
Westen. Bis dahin hatten wir nur gerüchtweise davon gehört. General
v. Moltke war über die Westlage tief bewegt. Es war mein letztes Dienst-
gespräch mit diesem menschlich so hervorragenden Mann. Er besaß einen
scharfen militärischen Verstand und wußte große Kriegslagen ungemein
klar zu behandeln. Er war aber keine durchgreifende Natur, mehr pazifi-
zistisch als kriegerisch gesonnen; ich entsinne mich vieler seiner Gespräche.
Seine Gesundheit war zu Beginn des Krieges durch zweimalige Karls-
bader Kur innerhalb weniger Monate stark angegriffen.
In diesen Tagen begann der Kriegsminister General v. Falkenhayn
die Operationen zu leiten.
Am 14. September abends nahm ich Abschied von Generaloberst
v. Hindenburg und meinen Kameraden. Es war mir nicht leicht,
nach zwei siegreichen Schlachten Oberbefehlshaber und Stab zu verlassen.
General v. Hindenburg hatte meinen Vorschlägen stets zugestimmt und sie
verantwortungsfreudig gutgeheißen. Es bildete sich ein schönes Ver-
trauensverhältnis zwischen uns beiden gleichdenkenden Männern heraus.
Im Stabe bestand vollständige Übereinstimmung in allen militärischen An-
schauungen.
Am 15. September früh verließ ich Insterburg, um im Kraftwagen
über Graudenz und Thorn meinen Bestimmungsort Breslau zu erreichen.
Über meinen neuen Wirkungskreis war ich mir vollständig im unklaren.
Er erschien mir kleiner als mein bisheriger. Bald fand ich ein weites,
wichtiges Arbeitsfeld.