Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

56 Tannenberg 
  
  
Westen. Bis dahin hatten wir nur gerüchtweise davon gehört. General 
v. Moltke war über die Westlage tief bewegt. Es war mein letztes Dienst- 
gespräch mit diesem menschlich so hervorragenden Mann. Er besaß einen 
scharfen militärischen Verstand und wußte große Kriegslagen ungemein 
klar zu behandeln. Er war aber keine durchgreifende Natur, mehr pazifi- 
zistisch als kriegerisch gesonnen; ich entsinne mich vieler seiner Gespräche. 
Seine Gesundheit war zu Beginn des Krieges durch zweimalige Karls- 
bader Kur innerhalb weniger Monate stark angegriffen. 
In diesen Tagen begann der Kriegsminister General v. Falkenhayn 
die Operationen zu leiten. 
Am 14. September abends nahm ich Abschied von Generaloberst 
v. Hindenburg und meinen Kameraden. Es war mir nicht leicht, 
nach zwei siegreichen Schlachten Oberbefehlshaber und Stab zu verlassen. 
General v. Hindenburg hatte meinen Vorschlägen stets zugestimmt und sie 
verantwortungsfreudig gutgeheißen. Es bildete sich ein schönes Ver- 
trauensverhältnis zwischen uns beiden gleichdenkenden Männern heraus. 
Im Stabe bestand vollständige Übereinstimmung in allen militärischen An- 
schauungen. 
Am 15. September früh verließ ich Insterburg, um im Kraftwagen 
über Graudenz und Thorn meinen Bestimmungsort Breslau zu erreichen. 
Über meinen neuen Wirkungskreis war ich mir vollständig im unklaren. 
Er erschien mir kleiner als mein bisheriger. Bald fand ich ein weites, 
wichtiges Arbeitsfeld.
	        
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