Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

64 Der Feldzug in Polen Herbst 1914 
  
beim Generaloberst v. Hindenburg meldete, mußte Umwege machen, um 
ihnen zu entgehen. 
In Kielce hatten wir wieder ein ordentliches Quartier mit günstigen 
Geschäftszimmern; das erleichterte die Arbeit. 
Die Anstrengungen, denen sich unsere Truppen beim Vormarsch unter— 
ziehen mußten, waren außerordentlich. Die Wege waren grundlos, das 
Wetter schlecht. Trotzdem mußten sehr große Märsche von 30 und mehr 
Kilometern gefordert werden, um den Feind noch beim Weichselübergang 
zu treffen oder ihn auf dem jenseitigen Ufer festzuhalten. 
Es kristallisierte sich immer mehr der operative Gedanke heraus, daß 
die k. u. k. Armee südlich der Weichsel die Entscheidung zu suchen, Przemysl 
zu entsetzen und den San zu überschreiten habe, während die Teile nördlich 
der Weichsel mehr hinzuhalten hätten. Das war nur möglich, wenn man 
den Feind noch an der Weichsel traf. Stand er mit starken Kräften, wie 
er es jederzeit konnte, auf dem westlichen Weichselufer, dann waren wir 
zu schwach, um ihm erfolgreich zu widerstehen. Das Bild begann sich un- 
ausgesetzt seit den Abmachungen in Neu-Sandec zu vervollständigen. Es 
sollte sich im großen wie im kleinen verschieben. Darum gehört auch dieser 
Feldzug zu den abwechslungsreichsten, die je geführt worden sind. Er ver- 
dient in den Annalen der Kriegsgeschichte einen der ersten Plätze. 
Das Oberkommando stand jeden Tag vor neuen schweren Entschlüssen. 
Die Unterführer kamen zu selbständigem Handeln. Es war ein kühnes Zu- 
greifen in das Ungewisse hinein, ein energisches Kämpfen und ein vorsich- 
tiges Weichen. Die schwachen Kräfte der Armee waren auf weite Ent- 
fernungen auseinandergezogen. Es herrschte aber doch nur ein klarer ziel- 
bewußter Wille. 
Die Truppenbewegungen hingen im höchsten Maße von dem Nach- 
schub ab. Die Verhältnisse hierfür waren bei dem unbeschreiblichen Zustand 
der Wege und dem schlechten Wetter denkbar ungünstig, selbst die große 
Chaussee von Krakau nach Warschau war knietief ausgefahren. Auf ihr 
ruhte eine fußhohe Schmutzdecke. Die für Wiederherstellung und In- 
standsetzung der Wege nötigen Arbeiten waren außerordentlich, die Kräfte 
nur gering. Von der Truppe und den Straßenbau-Kompagnien wurde 
unermüdlich gearbeitet und viel erreicht. Als wir in der zweiten Oktober-= 
hälfte zurückgingen, war das Straßenbild ein ganz anderes geworden. 
Wir hatten eine Kulturarbeit geleistet. 
Die Eisenbahnverhältnisse waren gleich schwierig. Die für uns in 
erster Linie in Betracht kommende Bahn über Kielce führte durch den 
Tunnel von Mijechow, er war zerstört. Baufirmen hatten schon vorher 
den Auftrag zur Wiederherstellung bekommen, die Arbeiten gingen ver- 
hältnismäßig schnell. Dieser Tunnel hat seine Geschichte. Diesmal war
	        
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