Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

84 Der Feldzug in Polen Herbst 1914 
  
  
  
  
  
  
bereit. Was ich dabei empfand, kann ich nicht schildern. Was stand auf 
dem Spiel! Nicht nur die Gefangennahme so vieler tapferer Männer, 
verbunden mit dem Triumph des Feindes, sondern ein verlorener Feld- 
zug! Die 9. Armee hätte nach dieser Niederlage zurückgenommen werden 
müssen. Wie wäre dann das Jahr 1914 ausgegangen? 
Die Episode von Brsheshiny endete mit einer glänzenden Waffentat. 
Die eingeschlossenen deutschen Truppen brachen in der Nacht vom 
24./25. November nach Norden durch. Sie brachten über 10 000 Ge- 
fangene und viele erbeutete Geschütze mit. 
Die durchgebrochenen Teile wurden zwischen dem XX. A. K. und 
I. R. K. angehalten. Es bildete sich eine schärfer zusammenhängende 
Front, gegen die der Russe vergeblich heftig anrannte. 
Das große operative Ziel, die Vernichtung der russischen Armee im 
Weichselbogen, war nicht erreicht. Wir hatten nicht die nötige Kraft dazu 
gehabt. 
Inzwischen hatte General v. Conrad für den 17. November den An- 
griff der Armee Boehm-Ermolli, der Armeeabteilung Woyrsch und der 
südwärts bis Krakau stehenden k. u. k. Armeen befohlen. Die Kämpfe 
führten zu örtlichen Erfolgen. Sie erlahmten aber sehr bald. Ein strate- 
gisches Interesse boten sie nicht mehr. 
Bis Ende November bedrängte der Russe nun seinerseits die 
9. Armee sehr heftig und griff auch weiter südlich, überall ohne wesentlichen 
Erfolg, an. 
Ende November, Anfang Dezember hatte ich nochmals Gelegenheit, 
den alten operativen Gedanken vorübergehend zu verfolgen, als die 1. Inf.- 
Div. der 8. Armee und endlich die Verstärkungen aus dem Westen ein- 
trafen, allerdings war beim Einsetzen der Truppen auch die Abwehr feind- 
licher Angriffe, namentlich bei dem I. R. K., zu berücksichtigen. 
Korps Zastrow gelang es, Zjechanow und Pzassnysch zu nehmen. Der 
Russe hatte hier Kräfte nach dem linken Weichselufer abgegeben. Die Ka- 
vallerie-Divisionen kamen aber nicht weiter vor, das Wetter war zu 
schwierig geworden. Auch der Winterbeschlag war noch nicht in Ordnung. 
Bald ging der Feind zum Gegenangriff über. Korps Zastrow mußte 
wiederum auf Mlawa ausweichen. 
In dem Weichselbogen kam es von neuem zu überaus erbitterten An- 
griffskämpfen. 
Das III. R. K. und XIII. A. K. wurden der 9. Armee unterstellt und 
auf deren äußerstem linken Flügel eingesetzt. In Rücksicht auf die ernste 
Lage beim I. R. K. geschah dies je nach dem Eintreffen. Zu einer einheit- 
lichen Gefechtshandlung kam es hier nicht. Vielleicht hätte ich richtiger ge- 
handelt, die Bildung einer besonderen Armeeabteilung anzuregen, die
	        
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