100 II. Hilfsdienstgesetz, Ersatz- und Arbeiterfragen
jede Begünstigung des Streiks nach § 139 des Strafgesetzbuches strafbar
ist. Auch dies sollte meines Erachtens offen ausgesprochen werden. Auf
dieser Grundlage könnten dann die Gewerkschaftsführer und die sozial-
demokratischen Abgeordneten zu einer klaren Antwort aufgefordert
werden, ob sie den Streik während des Krieges unbedingt
verurteilen oder nicht. Sie müssen Farbe bekennen. Ver-
urteilen sie den Streik rückhaltlos, so kann man von ihnen fordern, daß sie
mit allen Mitteln gegen den Streik auftreten. Sollte er dann noch aus-
brechen, so wäre jedenfalls ihre Machtlosigkeit erwiesen, während sie sich
jetzt immer auf ihre Macht und auf ihre Führung berufen. Lehnen sie die
grundsätzliche Verurteilung des Streiks ab, so sind sie als Landesverräter
anzusehen, und die Festnagelung dieser Tatsache in Presse und Parlament
würde meines Erachtens nicht nur ihre Anhängerschaft erheblich ver-
ringern, sondern auch die große Mehrheit des Volkes endlich über die
staatszersetzenden Ideen der radikalen Sozialdemokratie aufklären. Wie-
weit Euer Exzellenz diesen Weg für gangbar halten, habe ich Eurer Ex-
zellenz Ermessen zu überlassen.
2. Die von mir empfangenen Vertreter von wirtschaftsfriedlichen Ver-
bänden haben mir berichtet, daß außer den nationalen Arbeitervereini-
gungen auch viele andere, die an sich den Streik als Kampfmittel anerken-
nen, z. B. die Hirsch-Dunckerschen Vereine, die christlichen Gewerkschaften
und die Polen, sich bisher gegen einen Streik während des Krieges aus-
gesprochen und danach gehandelt haben. Diese Arbeitervereinigungen zu-
sammen sind aber der Zahl nach den streikbereiten sozialdemokratischen
Gewerkschaften ganz erheblich überlegen. Ich möchte es Euer Exzellenz
Erwägung anheimstellen, ob es möglich ist, eine Sammlung dieser Ver-
einigungen herbeizuführen auf der Grundlage der absoluten Verurteilung
eines Streiks während des Krieges. Scheint dies untunlich, so könnte
meines Erachtens versucht werden, wenigstens die wirtschafts-
friedlichen Arbeitsorganisationen zusammenzufassen und ihnen die
gleiche staatliche Anerkennung zu geben wie den freien Gewerkschaften. Ich
halte es an sich für eine starke Ungerechtigkeit, daß die freien, d. h. die
sozialdemokratischen Vereinigungen in Reichsämtern, Schlichtungsaus-
schüssen usw. vertreten sind, die anderen Arbeiter (wirtschaftsfriedliche und un-
organisierte) aber nicht, namentlich da die letzteren wahrscheinlich bei weitem
die Zahlen der organisierten sozialdemokratischen Arbeiter überwiegen.
3. Von größter Bedeutung scheint es mir, daß die arbeitswilligen
Arbeiter bei Streiks vor dem Terrorismus der Streikenden geschützt
werden. Hier muß mit allem Nachdruck vorgegangen werden"). Da es sich
*) Statt dessen wurde später der sogenannte Streikparagraph — der die Arbeits-
willigen schützte — aufgehoben! Der Verfasser.